: Auch im Bürogerne extravagant
Web III Die Wirklichkeit gewordene Auskopplung aus der fiktionalen Serie: die Modenschau „Kin- shasa Collection“ im Haus der Kulturen der Welt
von Brigitte Werneburg
Den Anfang machten die Modelle von Frau Wagner. Das war dann doch überraschend, denn angekündigt war im Berliner Haus der Kulturen der Welt die „Kinshasa Collection“. Sie ist ein Off-Spring des als interaktive Webserie veröffentlichten Dokumentarfilmprojekts gleichen Namens, das eine Produktion von Pong Film und dem Goethe-Institut ist, unter der künstlerischen Leitung von Dorothee Wenner. Sie führte denn auch gemeinsam mit der kongolesischen Journalistin Wendy Bashi durch die Show.
Frau Wagner klingt ja nun nicht besonders nach Afrika und dem kongolesischen Mode-Hotspot Kinshasa. Das Cross Couture Label wurde tatsächlich 2007 von der in Berlin lebenden und arbeitenden Modedesignerin Susanne Wagner gegründet. Sie eröffnete die Modenschau, weil das Konzept ihres Labels, nämlich vorgefundenes Material wie alte Sportkleidung, Uniformen und Vintage-Teile in neue Designs zu verarbeiten, eine hervorragende Einführung in die afrikanische Modeszene ist und den Begriff Kizobazoba, der die Up- und Recylingmanier bezeichnet, in der mit afrikanischen Mustern und den Signets oder Griffes gefälschter oder echter westlicher Luxuslabels neue afrikanische Mode entsteht.
Das war dann auch gleich zu sehen, nach Frau Wagners in Grau, Weiß und dem Talmiglanz silberner Pailletten gehaltener Sportswear. Da füllte afrikanische Streetwear den Laufsteg, auf dem dann ein weißes T-Shirt der Marke Champion als lustvoll zerfranstes Chanel-T-Shirt auftrat, wobei das typische C von Champion im Schriftzug von Chanel die Luxusmarke ungewöhnlich street wise und schräg aussehen ließ. Verantwortlich für dieses Outfit und einige grandiose wie ein Frack geschnittene Jacketts, die auch mal hinten in der Taille kurz sind, während die Frackschöße vorne lang herunterhängen, ist Daniel Mbuezo, der sich 2012 in Kinshasa mit seinem Label „M Collection“ selbstständig machte.
Wer sich die drei Teile der Kinshasa Collection im Web angeschaut hatte, der erkannte auf dem Laufsteg die Sapeurs aus der zweiten Folge, allen voran Wilfried Luzele aka LovaLova, Betreiber des Kulturzentrums „Double Vision“ in Kinshasa und Musiker, der seinen für die Webserie komponierten Score vortrug. Ganz anders als in den Behörden, Banken und Büros in London oder Berlin bestimmt in Kinshasa das extravagante Auftreten der Sapeurs auch und gerade das Business-Outfit, das in einem dritten Catwalk vorgeführt wurde. Ein beigefarbener Mantel mit geometrischen Musterapplikationen stammte von Lydie Okosa, eine der wenigen Frauen, die gestalterisch in der Modeszene Kinshasas mitmischen.
Es ist schon auffällig, vor allem im Film, wie sehr es die Männer in Kinshasa sind, die die Mode als Medium der Selbstdarstellung für sich reklamieren. Umso glücklicher, dass mit der Modeaktivistin, Schauspielerin, Lyrikerin und Performance-Künstlerin Goitseone Montsho wieder eine Frau das Gesamtkonzept der Fashion Show und ihrer Umsetzung verantwortete, in der auch die Tanzeinlagen bestachen.
Ein wenig schade, aber im Kontext von Goethe-Institut und HKW verständlich, dass die Luxusmarkenlogos, die in der gefälschten Form gerne noch ein bisschen größer sein dürfen als in echt, fehlten. Denn damit analysieren und feiern die afrikanischen Designer höchst ironisch die Mode als eine durch und durch säkulare wie unabdingbar mit der Entstehung und Geschichte des Kapitalismus verbundene Angelegenheit. Brigitte Werneburg
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