„Flüchtlingssommer“ vor zwei Jahren: Die Macht der Bilder

Schreckliche Bilder von wartenden Menschenmassen vor dem Lageso gibt es nicht mehr. Die Hilfe aber geht weiter. Sie ist nur nicht mehr so öffentlich sichtbar wie früher.

Warten, warten, warten: am Landesamt für Gesundheit und Soziales, Berlin, September 2015 Foto: dpa

„Es gibt diese Bilder nicht mehr“, sagt Christiane Beckmann. „Diesen einen Ort, an dem sich alle Probleme fokussierten.“ Seit zwei Jahren unterstützt die 51-Jährige die Geflüchtetenhilfe des Vereins „Moabit hilft!“, erst als Ehrenamtliche, mittlerweile mit einer bezahlten Stelle. Hilfe für Flüchtlinge sei aber weiterhin nötig und werde auch geleistet: „Sie ist aber nicht mehr so öffentlich sichtbar.“ Stattdessen finde sie mittlerweile häufig abseits organisierter Initiativen individuell und personenbezogen statt.

Sie erzählt von einer Familie, die im Sommer vor zwei Jahren, als Hunderte teils wochenlang vor der Berliner Aufnahmestelle für Geflüchtete kampierten, angeboten hatte, „ein, zwei Leute ein, zwei Tage“ bei sich aufzunehmen. „Gegangen sind sie mit einer sechsköpfigen afghanischen Familie, um die sie sich heute noch kümmern.“

Begleitung zu Ämtern, Schulen, Ärzten, Hilfe bei schwer verständlichen Behördenformularen – „jeder weiß, dass Geflüchtete heute nicht mehr auf der Straße schlafen müssen“, sagt Christiane Beckmann. Die Hilfe habe sich den Erfordernissen der Flüchtlinge angepasst. Doch auch Spenden seien weiterhin nötig.

In ihrem Büro im Haus D, der Kleiderkammer von „Moabit hilft!“ am früheren Standort der behördlichen Aufnahmestelle, stapeln sich derzeit Hunderte rosafarbener Überraschungseier – mit einem Transporter voller Kleidung von Ehrenamtlichen aus Nordrhein-Westfalen gebracht, erklärt sie.

Kleiderspenden nach wie vor nötig

In vielen Flächenländern würden Kleiderkammern aufgelöst, seien Notunterkünfte schon lange wieder leer und Geflüchtete in eigene Wohnungen gezogen. „Hier leben noch 10.000 Flüchtlinge in Notunterkünften, wo sie oft ihre Sachen nicht regelmäßig waschen und wegschließen können.“ Da seien Kleiderspenden nach wie vor nötig, „und kommen auch nach wie vor an“.

Etwa 40.000 BerlinerInnen engagierten sich derzeit noch für Flüchtlinge, hat Christian Lüder auf der Grundlage von Schichtplänen vieler HelferInneninitiativen errechnet. Der 49-Jährige betreut die Facebookseite „Berlin hilft“, ein Netzwerk und Informationssammelpunkt für ehrenamtliche HelferInnen und Initiativen.

Wohnungs- oder Arbeitssuche, Ablauf des Asylverfahrens, Probleme mit dem Jobcenter: FlüchtlingshelferInnen seien mit Abläufen und auch Verhalten von BehördenmitarbeiterInnen konfrontiert, denen sie als Ansässige zuvor nicht ausgesetzt waren, sagt Andrea Petzenhammer vom Verein Encourage, der minderjährige und junge erwachsene Geflüchtete unterstützt. Man bekomme mit, welchen absurden Situationen und Anforderungen die Menschen dabei ausgesetzt seien: „Und dann lässt man sie damit nicht mehr gern allein.“

Zumal man „manchmal leider sehr deutlich“ merke, „wie Geflüchtete von der Verwaltung abgebügelt werden, wenn sie alleine kommen“, und wie anders das oft laufe, wenn Helfer sie begleiteten, ergänzt Lüder. Beide betreiben die Flüchtlingshilfe seit zwei Jahren, Petzenhammer (33) ehrenamtlich neben ihrem Job als PR-Beraterin, Lüder mittlerweile hauptberuflich.

Erfolgserlebnisse geben Kraft

Ist das nicht manchmal auch frustrierend? Nein, sagen die zwei: „Natürlich ist man mit Schicksalen konfrontiert, die man so in Deutschland und Europa nicht erlebt“, sagt Lüder. Dann brauche es „die nötige Dis­tanz“. Seine Aufgabe als Netzwerkbetreuer mache diese möglich.

Andrea Petzenhammer vermittelt und betreut auch Vormünder für minderjährige unbegleitete Geflüchtete. Distanz ist da schwierig: „Das ist oft wie ein Eltern-Kind-Verhältnis, und natürlich ist da nicht immer alles Blümchen.“ Es seien die Erfolgserlebnisse, die ihr Kraft gäben, und die jungen Geflüchteten selbst, „die so dringend nach Entwicklungsmöglichkeiten, nach sozialem Anschluss und belastbaren Beziehungen“ suchten.

Von „Enttäuschungen“ sei sie dabei bisher verschont geblieben, unterstreicht Andrea Petzenhammer. Die erlebe sie an anderen Stellen: „Desillu­sionierend ist eher der Umgang mit Behörden und Verwaltungen.“

Dieser Text ist Teil eines Schwerpunktes in der Wochenendausgabe der taz.Berlin vom 12./13. August 2017.

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