: Holstein Kiel verliert ohne Not gegen Berlin
VERSCHENKT Der Aufsteiger von der Förde macht in einem spektakulären Spiel drei Tore – das reicht aber nicht für einen Auswärtssieg an der Spree. Trotzdem freuen sich die Kieler über ihre Leistung
Wer es mit den Fußballern von Holstein Kiel hält, wusste am Freitagabend nicht so recht, welchem Gemütszustand er sich hingeben sollte. Zur Wahl standen: freuen und ärgern. Für Letzteres sprach, dass die Kieler Kicker verloren hatten. Das Warten auf den ersten Sieg in Liga Zwei nach 36 Jahren geht also weiter.
Diese lange Zeit hätte bei Union Berlin beendet werden können, ausgerechnet beim Favoriten für den Erstliga-Aufstieg. Es wäre eine Sensation gewesen. Am Ende eines spektakulären Spiels stand es aber 4:3 für die Berliner. Vor 21.242 Fans im Stadion an der Alten Försterei hätte es ebenso gut ein 3:4 oder 4:5 geben können oder zumindest ein 3:3, 4:4 oder 5:5.
Dominick Drexler ärgerte sich über die erste Auswärtsreise mit am meisten. „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Wer drei Tore bei Union schießt, muss was mitnehmen“, diktierte er in die Reporterblöcke. Während Drexler sprach, feierte der ausverkaufte Kieler Gästeblock lautstark den starken KSV-Auftritt und sich auch ein wenig selbst.
Die Stimmung im Umfeld ist weiterhin außerordentlich gut. Gedeihende Stadionpläne (zur nächsten Saison sollen 15.000 Fans ins Holstein-Stadion passen) und ein offensichtlich konkurrenzfähiges Team sorgen dafür. Dass die Fangesänge im Berliner Stadion trotz der Niederlage lange nicht verhallen wollten, konnte man sympathisch finden. Das Hochgefühl birgt aber auch Gefahren. Drexler warnte: „Wir dürfen nicht anfangen, uns nach Niederlagen feiern zu lassen.“
Der Offensivmann hatte speziell in Hälfte eins die Union-Abwehr vor Probleme gestellt. Einmal traf er ins Tor, einmal den Außenpfosten. Weil Drexlers Offensivkollegen genauso zielstrebig übers Feld spurteten, wirkte der Aufstiegsfavorit so, als hätte er gegen die KSV-Angriffswucht erst gar keinen Defensivplan entworfen. Steven Lewerenz, Marvin Ducksch, Alexander Mühling und vor allem der agile Kingsley Schindler schossen nach Ballgewinnen pfeilartig davon.
Union ließ sich überrumpeln. In 32 Minuten musste Keeper Jakob Busk den Ball gleich dreimal aus dem eigenen Tornetz fischen. Erst traf Schindler selbst zum 0:1 (12. Minute), dann erzwang er das zwischenzeitliche 1:2 – ein Eigentor durch Berlins Kristian Pedersen (16.). Drexler besorgte den dritten Kieler Treffer (32.).
Einziger Haken an der Sache: Auch Union beteiligte sich am Tag des offenen Tores. Damir Kreilach (1:1/14. Minute), Steven Skrzybski (2:2/24.) und Simon Hedlund (3:2/27.) trafen für die Gastgeber. Und Skrzybskis besiegelte in Minute 52 mit einem knallharten Schuss schließlich Kiels Pleite.
Trotzdem war auch Drexler stolz darauf, gegen ein Team „mit unfassbarer individueller Qualität“ bestanden zu haben. Torwart Kenneth Kronholm, bei allen vier Toren machtlos, befand: „Wir haben ein geiles Spiel gemacht. Hut ab.“ In den nächsten Wochen will Holstein noch die richtige Balance zwischen Offensive und Defensive finden – und sich dann für Siege feiern lassen. djo
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