Geschmacksverstärker

Im Essen vieler Europäer steckt zu viel Glutamat, warnt die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit. Das sei gesundheitsschädlich

„Je länger der Käse also reift  …“

Natürliches Glutamat Wie es beim Parmesan dazu kommt, schildert der Hartkäse-Experte Marco Nocetti

Marco Nocetti

geb 1960, hat Veterinärmedizin studiert und ist heute technischer Leiter des Consorzio Parmiogiano Reggiano, das sich mit der Analyse und Entwicklung der Milchprodukte beschäftigt.

taz: Herr Nocetti, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa (European Food Safety Authority) hat neue Empfehlungen für eine unbedenkliche Aufnahmemenge von Glutamaten bestimmt. Sie sind Laborleiter beim „Consorzio del Formaggio Parmigia­no“, dem Verband der Parmesanhersteller in Reggio Emilia. Machen Sie sich Sorgen?

Marco Nocetti: Wir sind immer sehr ruhig, weil wir unseren Käse selbst so schätzen. Aber Scherz beiseite, wir fühlen uns nicht betroffen, denn es geht der EFSA bei ihrer Einschätzung ja vor allem um Glutamate, die als Zusatzstoffe verwendet werden. Da wir für den Parmesan keine solchen Zusatzstoffe verwenden, betrifft uns das nicht. Das wenige Glutamat, das im Parmesan enthalten ist, entwickelt sich auf natürlich Weise während des Reifungsprozesses – und der hat wesentliche Anteil an der Qualität unseres Produkts.

Die Experten der Efsa haben sich aber neben Lebensmittelzusatzstoffen auch mit anderen ernährungsbedingten Glutamatquellen befasst, darunter eben dem natürlichen Vorkommen.

Okay. Insofern sich die Experten mit den empfehlenswerten Aufnahmemengen beschäftigen, haben sie dann auch das berücksichtigt. Aber uns scheint doch, dass es ihnen vor allem um die Zusatzstoffe geht, in Fertigprodukten und Soßen.

Unter den berühmten Käsesorten hat der Parmesan den höchsten Glutamatanteil: 1,6 Gramm pro 100 Gramm. Wie kommt es dazu?

Das natürliche Glutamat ist im Casein der Milch enthalten. Während des Reifungsprozesses, der beim Parmesan länger dauert als bei den meisten anderen Hartkäsen, zersetzt sich – vereinfacht gesagt – das Casein langsam und wird zu Glutamat. Je länger der Käse also reift, desto mehr Glutamat enthält er. Das ist aber etwas, was wir anstreben, nichts, was wir verhindern wollen: wegen des Aromas und der besseren Verdaulichkeit, denn das Zersetzen des Caseins müsste sonst unsere Verdauung übernehmen

Gibt es Empfehlungen, wie viel Parmesan ich am Tag essen darf?

Nein, zum Glück stellen wir ja kein Arzneimittel her. Da es sich um ein sehr konzentriertes Produkt handelt, mit nur 30 Gramm Wasser pro 100 Gramm, sind die Portionen eher klein. Für einen Erwachsenen empfehlen wir deswegen circa 40 Gramm pro Tag. Und die enthalten dann 500 Milligramm Glutamat. Wenn man den Käse auf die Pasta streut, sind es eh nur 10 bis 15 Gramm.

Der Grana Padano wird zumindest in Deutschland oft mit dem Parmesan verwechselt. Unterscheidet er sich von Parmesan in Hinblick auf das Glutamat?

Ein Grana, der 15 Monate gereift ist, enthält vielleicht zehn Prozent weniger Glutamat als ein Parmesan mit 24 Monaten Reifezeit. Allerdings enthält Grana Konservierungsstoffe, die beim Parmesan verboten sind.

Sie sehen also keinen Grund, auf die Efsa zu reagieren?

Nein, überhaupt nicht. Erstens weil wir nichts zusetzen, zweitens, weil unserer Kosumempfehlungen nicht in Widerspruch stehen mit denen der Efsa.

Interview Ambros Waibel