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Bier in Bourbon-Fässern

handwerk Die wiederbelebte Bremer „Brau Union“ macht Gerstensaft für Gourmets. Auch allein mit Hopfen und Malz schafft sie es, ein Citrus-Grapefruit-Aroma zu erzeugen

von Thomas Joerdens

Die Luft in dem gläsernen Sudhaus riecht schwer und intensiv. Seit dem Morgen kochen 2.000 Liter Wasser mit 325 Kilo Malz sowie drei Kilo diverse Hopfensorten in einem stahlgrauen Kessel mit Guckloch. Aus diesen klassischen Bierzutaten stellt Braumeister Kristof Herr gerade den ersten Sud „Keller Pils“ her. Am Vormittag setzt er einen weiteren an, sodass am Abend circa 3.600 Liter in einen der Tanks des Gär- und Lagerkellers gepumpt sein werden. Aber mit Bier hat die Flüssigkeit dann noch lange nichts zu tun.

Seit Ende 2015 werden in der ehemaligen Union-Brauerei im Bremer Osterfeuerbergviertel wieder Biere hergestellt so wie früher. Die 1907 von Gastwirten gegründete Brauerei wurde 1965 von der Haake-Beck AG übernommen und drei Jahre später dicht gemacht. Unter dem Namen „Freie Brau Union Bremen“ knüpfen drei Brauer und zwei Lehrlinge in dem denkmalgeschützten Rotklinkerbau an die Bremer Biertradition an.

Die Brauer der „Freien Brau Union Bremen“ zählen sich zur Craft-Bier-Szene. Die Bewegung entstand Mitte der 1970er-Jahre in den USA und schwappte über Belgien und Skandinavien zu uns herüber. Diese Klein- und Kleinstbrauer wollen den Bieren die Geschmacksvielfalt zurückgeben, die sie bis ins vergangene Jahrhundert vielerorts hatten.

Man stemmt sich gegen den herrschenden Trend, dass internationale Großbrauereien weltweit die kleineren Konkurrenten schlucken und industriell möglichst günstig und viel Massenware produzieren, die zwangsläufig nuancenarm bis ununterscheidbar schmeckt.

Die neuen alten Brauer setzen auf Craft, das englische Wort für Handwerk, und experimentieren mit ihren Vorlieben, Erfahrungen, Ideen. Diese überwiegend regionalen Biere entstehen in überschaubaren Mengen und haben ihren Preis. Die Bremer Biere kosten zwischen 1,29 und 1,69 Euro pro 0,33-Liter-Flasche.

„Brauer ist ein Traumjob“, sagt Kristof Herr und schwärmt von der Verbindung zwischen Handwerk, Technik, Biologie, Chemie und einem leckeren Getränk. „Ich will sagen können: Das ist mein Bier, das habe ich gebraut.“ Freilich lässt sich dieser Traum nur in einem kleinen Betrieb verwirklichen, in dem man wie Kristof Herr zwischen dem Malzlager unterm Dach, dem Sudhaus und dem ebenerdigen Gär- und Lagerkeller hin und her flitzt, um sämtliche Produktionsschritte zu kontrollieren und einzugreifen.

Als der 29-jährige T-Shirt-Träger, der seine Haare unter einer Wollmütze versteckt, bei der weltbekannten Bremer Brauerei Beck’s seine Brauer-Ausbildung gemacht hatte, wusste er schnell: „Das ist mir zu groß.“ Nach dem Braumeister-Studium in Berlin ging der gebürtige Schleswig-Holsteiner zu der schottischen Brauerei Brew Dog und kam auf den Craft-Bier-Geschmack. Dort wurde mit Chili, Früchten, Kaffee oder Pfeffer experimentiert. Den Schotten ist deutsche Bierkultur samt dem Reinheitsgebot von 1516 herzlich egal. Herr lernte, dass Bier mehr sein kann als Pils, das unangefochtene Lieblingsbier der Deutschen.

Ich will sagen können: Das ist mein Bier, das habe ich gebraut“

Braumeister kristof herr

Dazu gehört der Umgang mit verschiedenen Malzmischungen und den zahlreichen Aroma- und Bitterhopfen. Letztere lassen sich unendlich kombinieren, um dem Bier bestimmte Noten zu geben. Kristof Herr hat so lange an der Hopfen-Mischung für das „Pale Ale“ getüftelt, bis es einen exotisch fruchtigen Citrus-Grapefruit-Charakter hatte.

Am Nachmittag, die Schicht nähert sich dem Ende, befindet sich der erste Sud „Keller Pils“ in einem der Gär- und Lagertanks. Das gelbliche Gemisch schmeckt bitter, hefig und nur mit viel Fantasie nach Bier. Von einem anderen „Keller Pils“-Tank zwickelt Herr ebenfalls ein Testglas, schaut, riecht, probiert.

Das Bier hat sieben Tage gegoren, dabei Kohlensäure, Alkohol und Aromen entwickelt, die sich nach drei Wochen bei null Grad Celsius voll entfaltet haben werden. „Dann wird das ‚Keller Pils‘ süffig und angenehm bitter schmecken und eine schöne Hopfennote haben.“ Herr freut sich jetzt schon und übergibt an die Spätschicht-Kollegin, die den zweiten Sud übernimmt.

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