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Datenabflug storniert

ÜBERWACHUNG Europäischer Gerichtshof stoppt Abkommen zwischen der EU und Kanada: Fluggastdaten dürfen auch zur Bekämpfung von Terror nicht anlasslos jahrelang gespeichert werden. Datenschützer begrüßen das Urteil

Von Christian Rath

KARLSRUHE taz | Die jahrelange anlasslose Massenspeicherung von Fluggastdaten verstößt gegen die europäischen Grundrechte. Das entschied an diesem Mittwoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Gutachten zum geplanten EU-Abkommen mit Kanada. Die Aussagen sind auch auf andere Vorratsdatenspeicherungen mit Flugdaten übertragbar.

Im geplanten Abkommen war vorgesehen, dass die Daten aller Reisenden, die nach Kanada fliegen, dort fünf Jahre lang gespeichert und ausgewertet werden dürfen. Dies sollte der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer grenzüberschreitender Kriminalität dienen. Gespeichert werden 19 Daten pro Person, zum Beispiel Reiseziel, Reisepartner, Zahlungsmittel und Sonderwünsche beim Essen. Faktisch handelt es sich um Vorratsdatenspeicherung.

Das Europäische Parlament hat dem Abkommen noch nicht zugestimmt und 2014 beim EuGH ein Gutachten beantragt, ob der Vertrag mit der Europäischen Grundrechte-Charta vereinbar ist. Der EuGH hat dies nun eindeutig verneint. Soll das Abkommen dennoch geschlossen werden, müsste entsprechend den EuGH-Vorgaben nachverhandelt werden.

Zunächst akzeptierte der EuGH, dass Reisedaten vorab an Kanada übermittelt werden. Die Daten könnten dort mit einschlägigen Dateien abgeglichen werden, um die Einreise gefährlicher Personen zu verhindern. Um bisher unbekannte Gefährder zu identifizieren, können auch automatisierte kriminalistische Modelle und Muster benutzt werden.

Doch schon hier macht der EuGH zwei Einschränkungen. „Sensible Daten“ (etwa über ethnische Zugehörigkeit, politische Meinungen und das Sexual­leben) dürfen zu diesem Zweck nicht übermittelt werden. Außerdem müssen die kriminalistischen Modelle so ausgestaltet sein, dass dabei niemand diskriminiert wird, etwa wegen der ethnischen Zugehörigkeit.

Die übermittelten Daten dürfen in Kanada auch gespeichert bleiben, solange der Fluggast im Land bleibt. Eine Nutzung und Auswertung der Daten soll nun aber nur noch aufgrund neuer Indizien möglich sein. Erforderlich ist zudem die Genehmigung einer unabhängigen Stelle, etwa eines Gerichts.

Die entscheidende Einschränkung betrifft aber die Rückreise: Es gibt keinen Grund, die Daten aller Fluggäste fünf Jahre lang zu speichern. Dies verstoße gegen die EU-Grundrechte auf Datenschutz und Achtung des Privatlebens. Nur wenn es „objektive Anhaltspunkte“ gibt, dass eine Gefahr im Zusammenhang mit Terror oder schwerer Kriminalität ausgeht, dürfen die Fluggastdaten für fünf Jahre gespeichert werden.

Gespeichert wurden Reiseziel, Reisepartner, Zahlungsmittel und Sonderwünsche

Zudem verlangt der EuGH, dass die Datenspeicherung in Kanada von einer unabhängigen Datenschutzbehörde zu kontrollieren ist. Die Fluggäste müssten über jede Nutzung und Weitergabe ihrer Daten informiert werden. Eine Weitergabe der Daten sei nur möglich, wenn mit diesem Staat ein ähnliches Fluggastdaten-Abkommen besteht oder wenn die EU-Kommission dies genehmigt.

Wenn man den vom EuGH angelegten Maßstab zugrunde legt, sind auch die Fluggastdaten-Abkommen mit den USA und Australien rechtswidrig. Das Gleiche dürfte für das EU-interne System zur Fluggastdatenspeicherung gelten, das 2016 beschlossen und vom Bundestag im Juni in deutsches Recht umgesetzt wurde. Die europäische und deutsche Politik wird diesen Schluss aber vermutlich erst akzeptieren, wenn es entsprechende Urteile gibt. Der FDP-Politiker Gerhart Baum hat umgehend Klagen angekündigt.

(Az.: Gutachten 1/15)

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