piwik no script img

Merkel lässt uns im Regen stehen

WETTERKRISE Endlich ein aufregendes Wahlkampfthema: Ganz Deutschland nass. Die Opposition schäumt, SPD-Kandidat Schulz wittert die Chance zum Angriff. Kommt die Kanzlerin jetzt ins Schwimmen?

Nützt das Regenthema nur Radikalen wie Frauke Petry (nicht im Bilde)? Die SPD wies diese Bedenken zurück: Kein Problem werde dadurch gelöst, dass es ignoriert werde Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz |Zum ersten Mal in diesem Wahlkampf gerät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richtig unter Druck. Politiker aller anderen Parteien kritisierten am Dienstag das anhaltende Regenwetter und die Untätigkeit der Kanzlerin angesichts der ungebremsten Wassermassen.

Die Empörung über Merkel wird von der Opposition ebenso geschürt wie von den Koalitionspartnern CSU und SPD. Auch auf dem flachen Land reagieren eigentlich als besonnen geltende PolitikerInnen mit zunehmend aggressiven Tönen auf den Dauerregen. „Während die CSU mit der verfassungswidrigen Obergrenze Wahlkampf macht, versucht die Bundeskanzlerin das Thema zu ignorieren“, wetterte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Sie sprang damit Kanzlerkandidat Martin Schulz bei, der zuvor eine gerechtere Regenverteilung in Europa, harte Strafen für osteuropäische Regenverweigerer und gleichzeitig komplette Regenfreiheit für Deutschland gefordert hatte, denn: „Jetzt sind die anderen EU-Mitgliedstaaten dran.“

Während Merkel selbst weiterschwieg, wiesen CDU-nahe Kreise darauf hin, dass die meisten verregneten Bundesländer SPD-regiert seien. CSU-Chef Horst Seehofer verlangte ultimativ eine Obergrenze von 200.000 Regentropfen pro Tag.

Einig waren sich alle Parteien nur darin, dass eine stärkere Bekämpfung der Regenursachen nötig sei. Neue Hinweise dafür lieferte der Spiegel. Wie das Hamburger Schietwettermagazin berichtete, sollen die wichtigsten Regenjackenhersteller, Gummistiefelproduzenten und Kinobesitzer schon seit den 90er Jahren ein Kartell gebildet haben, um in geheimen Arbeitskreisen Einfluss auf das Wetter zu nehmen. Bundeskartellamt und EU-Kommission prüfen derzeit entsprechende Informationen. Während Kanzlerin Merkel auch diese Vorwürfe bisher nicht kommentierte, sprach Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nassforsch vom „größten Skandal der deutschen Wettergeschichte“.

Trotz der angespannten Lage lehnte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jegliche Stellungnahme zur Aufspannung eines weiteren EU-Rettungsschirms kategorisch ab.

Die Linkspartei gab Merkel eine moralische Mitschuld für das Regendesaster, weil die Kanzlerin verantwortungslose Verabredungen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen habe. „Jetzt rächt sich die Abhängigkeit, in die die Kanzlerin Europa mit dem schmutzigen Wetterdeal gebracht hat“, erklärte Linken-Chefin Katja Kipping. Während in Ankara heute 36 Grad und im Osten der Türkei sogar weit über 40 Grad bei 0 Prozent Regenwahrscheinlichkeit erwartet werden, sagen die Meteorologen in Deutschland auch für die nächsten Tage nahezu flächendeckend Schmuddelwetter voraus.

Die Chancen für die Konkurrenz stehen also gut, Merkel mit dem Aufregerthema Regen vor sich her zu treiben. Wie eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab, neigen gut 29 Prozent der Wähler zu populistischen Ansichten. Das kann ja heiter werden.LUKAS WALLRAFF

Kann Deutschland Dauerregen verkraften? Merkel ist abgetaucht, angeblich nach Südtirol. SPD-Chef Schulz nennt das einen „Anschlag auf die Demokratie“

Schwerpunkt

Wetter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen