: Der Protest hat erst begonnen
Wohnen Ein Investor in Tiergarten will Mieter loswerden. „Legal, aber brachial“, sagt der Baustadtrat
Für Dana Torunlar war es eine böse Weihnachtsüberraschung. Die Mieterin aus der Lützowstraße bekam Mitte Dezember von ihrem Hauseigentümer den Rat, doch demnächst für einige Zeit zu Verwandten zu ziehen. Ihre Wohnung müsse saniert werden und es gebe nicht genug Ersatzwohnungen. Torunlars Nachbar Thomas Pawelec erhielt einen ähnlichen Brief, in dem ihm die Aufforderung, seine Wohnung zu verlassen, mit dem Hinweis schmackhaft gemacht werden sollte, dass ein Tapetenwechsel manchmal nötig sei.
Die Bluerock Opportunities 3 Ltd., die ihren Sitz in Manchester hat, sorgte mit diesen Briefen für Angst unter den MieterInnen der in den 1970er Jahren errichteten Häuser in der Lützowstraße und der Genthiner Straße in Tiergarten-Süd. Schließlich stand in den Briefen des Investors auch, dass durch die Sanierung Asbest frei werden könnte. „Viele MieterInnen konnten weder die gesundheitlichen Konsequenzen einschätzen, noch kannten sie ihre Rechte, erklärt Regine Wosnitza vom Stadtteilforum Tiergarten Süd. Das aus dem Quartiersmanagement hervorgegangene Stadtteilforum unterstützt die Betroffenen, bietet Beratung an und riet ihnen zum Eintritt in eine Mietrechtsorganisation. Auch die Kontakte im Stadtteil wurden aktiviert.
Das in den USA als Community Organizing bekannte Empowerment der MieterInnen hatte Erfolg: Waren zunächst zahlreiche BewohnerInnen mit geringen Abfindungen aus ihren Wohnungen ausgezogen, begannen sich andere zu wehren. Sie nahmen sich Anwälte, und für den 10. Juli organisierten sie eine Kundgebung. „Das ist unser Kiez“ und „Wir bleiben hier“ lauteten die Sätze auf den selbst gemalten Pappschildern. Auch der für Tiergarten zuständige Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), setzte sich auf der Kundgebung für die MieterInnen ein. Die Methoden der Investoren seien ein legales, aber brachiales Modell, erklärte der Politiker, der die Investoren auch persönlich kontaktiert hatte.
Milieuschutz kam zu spät
Eine gesetzliche Handhabe gegen die Verdrängung scheint auch Gothe nicht zu haben. Der angekündigte Milieuschutz kommt im Fall der betroffenen MieterInnen zu spät, weil er nicht rückwirkend in Kraft tritt. „Schon seit mehreren Jahren sollte geprüft werden, ob der Milieuschutz angewendet werden könne. Doch nichts ist geschehen“, monierte die Stadtteilaktivistin Wosnitza.
Die Kundgebung dürfte nun erst der Anfang des Protests in Tiergarten-Süd sein. Auch MieterInnen aus der Umgebung, deren Wohnungen bald ebenfalls saniert werden sollen, haben daran teilgenommen. Demnächst wollen sie eine Videokundgebung mit dem Film „Mietrebellen“ machen. Darin haben die RegisseurInnen Matthias Coers und Gertrud Schulte Westenberg die MieterInnenbewegung in Berlin zwischen 2010 bis 2013 dokumentiert.
In Tiergarten-Süd könnte die Geschichte weitergeschrieben werden. Peter Nowak
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