piwik no script img

Schurkische Riesenkaugummis

Gelb Von anarchischer Schwarmintelligenz: Digital herausgeputzt wie nie kehren die Minions im Animationsfilm „Ich – Einfach unverbesserlich 3“ auf die Leinwand zurück

von Tim Caspar Boehme

Das ist ein Schlag: Gru, der ehemalige Superschurke, und seine Freundin, die Superspionin Lucy, fliegen aus der Anti-Verbrecher-Liga raus. Der Grund: Bei einem vermeintlichen Routineeinsatz gegen einen Diamantendieb, keinen Geringeren als den amtierenden Superschurken Balthazar Bratt, kann Gru zwar den Diamanten sicherstellen, nicht aber den Täter dingfest machen. Der Bösewicht im lila Kostüm und mit Voku­hi­la-­Frisur hatte sich der Festnahme mit ungewöhnlichen Mitteln entzogen, dabei waren große Mengen Kaugummi im Spiel. Pech für Gru. Und für Lucy, die ihn in Schutz nimmt und dafür ebenfalls fristlos entlassen wird.

„Ich – Einfach unverbesserlich 3“, der nach „Minions“ vierte Film der beliebten Reihe um die kleinen gelben Wesen mit ausgeprägtem Sozialsinn, startet beim Versuch, in der Normalität anzukommen. Gru und Lucy hatten sich gerade als Patchworkfamilie mit den drei adoptierten Waisen Margo, Edith und Agnes als Kindern einzurichten begonnen, schon steckt Gru in der Krise. Und die hat auch Folgen für seine Gefolgsleute, die Minions.

Die ebenso dienstbaren wie begeisterungsfähigen Ein- und Zweiäuger, die sich neigungshalber immer dem bösesten aller Anführer anschließen, verweigern dem nunmehr zum Privatier gewordenen Gru ihren Dienst, als dieser bekanntgibt, dass er seine alten Verbrechergewohnheiten nicht wieder aufgreifen wird.

„Ich – Einfach unverbesserlich 3“ teilt sich fortan in zwei Handlungsstränge: Die Familiengeschichte um Gru und Lucy verkompliziert sich, als Gru von seinem Zwillingsbruder Dru erfährt. Dieser, seinerseits ein angehender Schurke mit großem Vermögen, möchte von Gru in die Welt des Verbrechens eingeführt werden. Gru wittert rasch seine Chance, im Team mit ­seinem Bruder den flüchtigen Balthazar Bratt zu schnappen und sich beruflich zu rehabilitieren.

Unterdessen ziehen die Minions auf sich selbst gestellt durch die Gegend, werden gegenüber der Polizei auffällig, landen im Gefängnis und planen dort eine ebenso spektakuläre wie bestens durchorganisierte Flucht. Die Momente, in denen die Minions ihre anarchische Schwarm­intelligenz zur Geltung bringen, sorgen denn auch für die komischsten Momente des Films.

Den größeren Teil des Films bestreiten die Regisseure ­Pierre Coffin und Kyle Balda allerdings mit der Familiensituation der gefeuerten Superspione.

Unterdessen ziehen die Minons durch die Gegend, werden auffällig, landen im Gefängnis

So hat Gru mit der Rivalität zu seinem Bruder Dru zu kämpfen, während Lucy sich etwas mühsam in ihre Rolle als Mutter einfügen muss. Was unter pädagogischen Gesichtspunkten ein sinnvoller Beitrag zur veränderten Lage der Kleinfamilie heute ist, bloß dummerweise mit reichlich gezwungenem Humor ausgekleidet wird. Noch unglücklicher ist die konsequente Anlage von Balthazar Bratt als Wiedergängers eines Achtziger-Jahre-Pop-Fans, der sehr gern zu Hits von Michael Jackson tanzt und ein Umhängekeyboard als Waffe verwendet. Das erschöpft sich rascher, als man bis eins zählen kann. Überhaupt wäre dringend ein Moratorium für Tanzeinlagen in Animationsfilmen fällig.

Die Gestaltung hingegen lässt wenig zu wünschen übrig. Von Drus Heimat Freedonia bis zu Balthazar Bratts leuchtturmartiger Festung steckt der Film voller detailfreudig animierter Bildeinfälle; vor allem die schurkischen Riesenkaugummis können sich sehen lassen.

Und die Minions retten am Ende nicht nur ihren früheren Anführer, sondern gleich den Film mit dazu, selbst wenn sie diesmal digital fast zu hyperpoliert in Szene gesetzt sind. Man hätte ihnen dennoch ein wenig mehr Entfaltungsmöglichkeiten lassen können.

„Ich – Einfach unverbesserlich 3“. Regie: Pierre Coffin, Kyle Balda. USA 2017, 90 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen