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Schlechtes Klima für erneuerbare Energien

Türkei Präsident Erdoğan feilscht um die Konditionen im Pariser Klimavertrag – und setzt zu Hause auf ungebremstes Wachstum

Geht doch: Windräder in Belen in der Provinz Hatay ganz im Süden der Türkei Foto: Murad Sezer/reuetrs

Aus Athen Jürgen Gottschlich

Seit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Ende des G20-Gipfels in Hamburg ankündigte, sein Land werde vermutlich das Pariser Klimaabkommen im Parlament nicht ratifizieren, ist die türkische Klimapolitik ins internationale Interesse gerückt.

Die Türkei ist nach den gängigen Einordnungen ein Schwellenland, das in den kommenden Jahren laut Ankündigung von Präsident Erdoğan zu den zehn stärksten Industrienatio­nen weltweit aufsteigen will. Diese forcierte Industrialisierung soll nicht von einer restriktiven Klimapolitik behindert werden. Die Türkei, so Erdoğan, will keine Einschränkungen, ist aber an positiver, sprich finanzieller Unterstützung für den Ausbau erneuerbarer Energien interessiert. Nur unter diesen Voraussetzungen will sie beim Klimaschutz mitmachen.

Als Wachstumsmarkt mit einer Bevölkerung, die auf die 80 Millionen zugeht, hat die Türkei einen jährlich wachsenden Energiebedarf, an dem ausländische Konzerne rund um die Welt gern verdienen wollen. Bislang verdienen hauptsächlich Russland und Iran mit Gas- und Öllieferungen. Ein Großteil des türkischen Außenhandelsdefizits entsteht durch die enormen Summen, die die Türkei jährlich an diese beiden Länder überweist.

Davon will die Regierung herunter, und damit beginnt ihr Problem mit der Klimapolitik. Zurzeit wird der jährliche Strombedarf zu rund 50 Prozent von Gaskraftwerken bedient, was ökologisch günstig ist und dazu geführt hat, dass der Himmel über Ankara, Istanbul und anderen Großstädten sich im Winter erheblich aufgehellt hat. Doch bei steigendem Strombedarf wird der Regierung das zu teuer. Der Anteil des durch Gaskraftwerke erzeugten Stroms soll bis 2023 auf 30 Prozent sinken. Die Alternativen zum Gas sind Kohle, Wasserkraft, Atomkraft und Erneuerbare.

Im Prinzip will die Regierung alle diese Energiepotenziale nutzen, doch sie präferiert eindeutig die Kohle, vor allem die Braunkohle. Sie ist ausreichend vorhanden und der Abbau im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Energieerzeugung vergleichsweise billig. Nach Expertenangaben hat die Türkei bislang unerschlossene Braunkohlevorräte von rund 7 Milliarden Tonnen. Damit könnte der Bedarf über Jahrzehnte gedeckt werden. Sowohl mit Investoren aus den arabischen Emiraten als auch aus China wird derzeit über Milliardenverträge zum Abbau von Braunkohle und dem Bau weiterer Kohlekraftwerke verhandelt. Mit einem Staatsfond von Abu Dhabi ist bereits ein Vertrag über 12 Milliarden Dollar verhandelt, allerdings verzögert sich das Inkrafttreten noch. Die bereits heute erzeugten rund 35.000 Megawatt sollen bis 2020 auf 60.000 Megawatt nahezu verdoppelt werden.

Wasserkraftwerke sind in den letzten Jahren so viele gebaut worden, dass das Potenzial an den großen Flüssen nahezu erschöpft ist. Außerdem sind die großen Staudammprojekte an Euphrat und Tigris genauso wie an den kleineren Flüssen, die ins Schwarze Meer fließen, in der Bevölkerung äußerst umstritten. Man denke an die Auseinandersetzungen um den Ilısu–Damm am Tigris, der jetzt als letztes Großprojekt fertiggestellt wurde. Mit Russland ist der Bau eines AKWs vereinbart, mit Japan und Frankreich wird noch über den Bau von zwei weiteren AKWs verhandelt. Bleiben die erneuerbaren Energien. Alle sind sich einig, dass die Türkei hier ein enormes Potenzial hat. Mehr als 8.000 Kilometer Küstenlinie sind ideal für Windparks, und die Sonneneinstrahlung ist selbst im Winter so hoch, dass auf dem dünn besiedelten anatolischen Zentralplateau gigantische Sonnenkraftwerke gebaut werden könnten.

Die Regierung präferiert eindeutig die Kohle, vor allem die Braunkohle

Tatsächlich sieht der türkische Energie-Ausbauplan bis 2030 vor, den Anteil der Erneuerbaren auf 30 Prozent des Energieverbrauchs hochzuschrauben. Doch während bei Kohle und Atomstrom längst Verträge ausgehandelt sind und der Bau neuer Anlagen läuft, bleibt es bei den Erneuerbaren vielfach noch bei wolkigen Absichtserklärungen. Reale Zuwächse gibt es bislang vor allem bei Windkraftanlagen. Fährt man die Ägäisküste entlang, sieht man auch als Laie, dass die Zahl der Windräder stark zugenommen hat.

Bis heute produzieren Windräder rund 4.500 Megawatt Strom, 10.000 Megawatt sollen daraus bis 2020 werden. Das ist nicht wenig, aber verglichen mit 60.000 Megawatt aus Braunkohle auch nicht allzu viel. Noch bescheidener sieht es beim Sonnenstrom aus. Photovoltaik auf privaten Dächern gibt es bislang kaum. Es fehlen Vergütungsregeln und das technische Know- how. Zureit baut der deutsche Konzern Phönix Solar bei Konya vier Photovoltaik-Kraftwerke, die einmal 5 Megawatt produzieren sollen. Andere Projekte bewegen sich in einer ähnlichen Größenordnung.

Energische internationale Förderung könnte da nur guttun. Dasselbe gilt auch für eine grüne Verkehrsinfrastruktur. Zwar investiert die türkische Regierung viel Geld in den Bau von U-Bahnen, Straßenbahnschienen und den Bahnfernverkehr, aber trotzdem verschlingen neue Brücken und Autobahnen nach wie vor ungleich größere Summen. Kein Wunder: Die Autoindustrie ist mittlerweile zu einem der wichtigsten Wachstumstreiber des Landes geworden. Internationale Unterstützung für den Schienenverkehr und die Einführung von Elek­tro­autos wären da sicherlich sehr nützlich für das Klima.

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