: Chance und Tücken sozialer Medien
WebseitenIn Kambodscha kann die Bevölkerung mittels Facebook Druck auf die Regierung ausüben
Konstitutionelle Wahlmonarchie (König Sihamoni seit 2004)
Regierung: Autoritäre Scheindemokratie (Premier Hun Sen seit 1985)
Amtssprache: Khmer
Einwohner: 15,3 Millionen (Khmer 90 Prozent, Vietnamesen 5 Prozent, Chinesen 1 Prozent), davon (in Prozent): Buddhisten 96,9, Muslime 1,9, Christen 0,4, andere 0,8
Bevölkerungsdichte: 77/qkm
Pro-Kopf-BIP: 931 Dollar
Armutsrate: 17,7 Prozent
BIP-Anteil in Prozent: Landwirtschaft 28,6, Industrie 27,9, Dienstleistungen 43,6
Von Mey Sansotheary
Laut dem Chefredakteur der Online-Nachrichtenseite Sabay.com, Chip Chet, muss Kambodschas Gesellschaft noch reifer werden, um das Potenzial der sozialen Medien ausschöpfen zu können. Dies könnte die Freiheit der Medien stärken, die in einer Demokratie die vierte Gewalt sind.
„30 Prozent der Kambodschaner nutzen soziale Medien. Die meisten sagen darin ihre Meinung, verbreiten oder konsumieren Nachrichten. Aber die Nutzung sozialer Medien ist noch nicht etabliert genug, es gibt kein Verantwortungsgefühl und kein Verständnis für glaubwürdige oder verlässliche Quellen“, so Chip Chet. Sabay.com ist mit 30 Millionen Pageviews im Monat bei einer Bevölkerung von 15 Millionen Kambodschas beliebteste Nachrichtenwebsite.
Unter den sozialen Medien ist Facebook in Kambodscha die Nummer eins. 2016 ist es zum beliebtesten Instrument geworden, um audiovisuelle Nachrichten zu verbreiten.
Kein Verantwortungsgefühl
Der Mangel an Gesetzen zur Regulierung des Cyberspace führt laut Huy Vannak, Chefredakteur des TS-Senders CNC, dazu, dass soziale Medien auf negative Art benutzt werden, statt den Zugang zu verlässlichen Nachrichten zu stärken.
„Es gibt wirksame Cyber-Gesetze in Thailand und Vietnam, aber nicht in Kambodscha. Ein Gesetz ist der einzige Weg, um allen die Grenzen und das nötige Verantwortungsgefühl zu vermitteln“, sagt er.
Am 4. Juni fanden in Kambodscha die vierten Kommunalwahlen statt. Das regierungsnahe staatliche Fernsehen verbreitete die vorläufigen Ergebnisse. Aber die Wähler bevorzugten, die Ergebnisse aus den sozialen Medien zu erfahren und gleich weiterzuverbreiten. Mindestens 14 kaum bekannte Sender haben per Facebook live die Ergebnisse verkündet und so Tausende Zuschauer gehabt.
Nop Vy, Direktor der oppositionsnahen Medienorganisation Voice of Democracy, hält Facebook für eines der wenigen Mittel, durch das die Bevölkerung Druck auf die Regierung ausüben könne. Etwa um auf Fälle von Korruption zu reagieren oder um Gesetze durchzusetzen und so für die Transparenz der Regierung zu sorgen.
Kambodschas Fernsehen strahlt nur Unterhaltungssendungen aus oder sendet Nachrichten aus Sicht der Regierung. Die mangelnde Neutralität in sozialen und politischen Fragen hat dazu geführt, dass die Bevölkerung kein Vertrauen in die Unabhängigkeit und Legitimität des Senders hat.
Laut Premierminister Hun Sen hat seine Kambodschanische Volkspartei umgerechnet mehr als 240.000 Dollar für den Kommunalwahlkampf ausgegeben. Die oppositionelle Nationale Rettungspartei CNRP hat vor allem online Wahlkampf gemacht.
„Manche nutzen ihr Online-Netz als Online-Strafgericht, denn manchmal gibt es einfach zu viel Freiheit in Kambodschas sozialen Medien“, sagt der Berater des Informationsministeriums, Ouk Kimseng.
Kambodscha hat 31 Internetprovider. Zwei davon sind staatlich, sieben sind Mobilfunkbetreiber. Noch gibt es im Vergleich zu anderen Sendetechnologien im Internetbereich nur wenig Regulierung. Auch die US-Auslandssender Radio Free Asia und Voice of America, die wegen ihrer aktuellen Berichte über die Abholzung des Regenwalds, die Straflosigkeit und die Landkonflikte sehr beliebt sind, haben ihr Online-Netz wie ihre Facebook-Präsenz in den letzten Jahren stark ausgebaut.
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