Umstrittener Kunst-Verkauf: Nussbaum-Haus bangt um Bilder
Die Industrie- und Handelskammer Osnabrück will ihre drei Bilder von Felix Nussbaum verkaufen – und zwar zu marktüblichen Preisen. Warum? Weil es geht.
Verkaufen will die IHK unter anderem das „Selbstbildnis mit Geschirrtuch“, das zu den Schlüsselwerken Nussbaums zählt und in der Dauerausstellung hängt. Felix Nussbaum malte das Bild um 1936 herum im belgischen Exil. Die IHK kaufte es in den 70ern für 4.000 DM, für ebenso viel wie für das „Selbstbildnis mit Hut“ von 1937, das sich im Depot des Nussbaum-Hauses befindet. Auf dieses Bild erhebt allerdings auch der Museums- und Kunstverein Ansprüche. Im Werkverzeichnis ist es als „Dauerleihgabe des Museums- und Kunstvereins Osnabrück“ aufgeführt, das mit „Mitteln der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland“ 1975 erworben wurde.
Erst 2000 kaufte die IHK das „Stillleben mit Zinnteller“ von 1926. Für alle drei Bilder zusammen zahlte die Kammer, so schreiben sie auf ihrer Internetseite, insgesamt 38.000 Euro. Der heutige Marktwert der Bilder dürfte deutlich höher liegen. Denn Felix Nussbaum, der in den 1970ern wiederentdeckt wurde, zählt inzwischen zu den bedeutendsten Künstlern des Holocaust. Seine Bilder werden weltweit ausgestellt.
Nils-Arne Kässens, Leiter des Nussbaum-Hauses, hofft, dass die Bilder im Museum bleiben. Für besonders aussagekräftig hält er die Selbstporträts: „Felix Nussbaum hat das Grauen des Holocaust nicht direkt gemalt, aber sie sehen es auf diesen Bildern in seinen Augen.“
Der aus einer jüdischen Familie stammende Künstler Felix Nussbaum wurde 1904 in Osnabrück geboren.
Besonders bekannt ist sein um 1943 entstandenes „Selbstbildnis mit Judenpass“.
Nussbaum flüchtete mit seiner Ehefrau Felka Platek vor den Nazis ins Exil nach Italien, Frankreich und 1937 dann nach Brüssel.
Er starb 1944 im Konzentrationslager Auschwitz.
Ein Großteil seiner Bilder ist heute im von Daniel Libeskind entworfenen Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück zu sehen. Drei dieser Bilder gehören der Industrie- und Handelskammer Osnabrück und die will jetzt verkaufen.
Die IHK betonte erst am Mittwoch, sie sei „sich der Bedeutung der Kunstwerke und des Künstlers, insbesondere für die Stadt Osnabrück, bewusst“. Sie wollten daher einen Käufer finden, der die Bilder dem Nussbaum-Haus weiter zur Verfügung stelle, erklärt IHK-Sprecher Frank Hesse. Den Vorwurf, die Kammer wolle mit dem Verkauf der Bilder Gewinn machen, weist er zurück. Verschenken oder zum damaligen Verkaufspreis abgeben will die IHK die Bilder allerdings auch nicht. Man orientiere sich am Marktwert, sagt Hesse.
Das kritisiert Heiko Schlatermund, Geschäftsführer der Felix-Nussbaum-Gesellschaft in Osnabrück. Seine Gesellschaft kann sich vorstellen, die drei Bilder zu kaufen – aber nicht zu marktüblichen Preisen. „Unser oberstes Ziel ist es, dass die Bilder in Osnabrück bleiben“, sagt Schlatermund.
Aber warum will die IHK die Bilder überhaupt verkaufen? Sprecher Hesse beruft sich auf eine „Änderung der Rechtsauffassung der letzten 15 Jahre“, nach der es nicht Aufgabe der IHK sei, Kunst und Kultur durch Käufe zu fördern. Er beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster von 2003. Dabei ging es aber um einen Kredit in Höhe von sechs Millionen DM, den die IHK Duisburg-Kleve-Wesel 2001 zugunsten einer Museumsgründung aufgenommen hatte.
Hesse verweist weiter auf die Prüfung anderer niedersächsischer Handelskammern. Tatsächlich hat der Landesrechnungshof bereits mehrere Kammern geprüft. Gerügt wurde nur eine Kammer, die sich eine große Kunstsammlung zugelegt hatte. Um welche Kammer es sich handelt, will der Rechnungshof nicht sagen, verweist nur darauf, dass diese IHK nicht „zum Verkauf von Gemälden oder Skulpturen“ aufgefordert wurde.
Die IHK in Osnabrück wurde nicht geprüft. Verkaufen wollen sie trotzdem. Zeitnot gebe es nicht, gibt Hesse zu. Die „konkrete Situation in Osnabrück“ kann der Rechnungshof nicht beurteilen. Von dort heißt es: „Wenn die Osnabrücker IHK zu der Selbsteinschätzung kommt, dass ihre Kunstsammlung die Grenzen einer zulässigen Vermögensbildung überschreitet, muss sie sorgfältig abwägen, an wen und zu welchen Bedingungen sie verkaufen will.“
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