: Liebesgrüße aus Pjöngjang
Nordkorea Mit dem Abschuss einer mutmaßlichen Langstreckenrakete heizt Kim Jong Un die Spannungen an. Sein Regime gibt sich unbeeindruckt von Sanktionen

Aus Seoul Fabian Kretschmer
Mit Marschmusik kündigte Nordkoreas Staatsfernsehen KCTV am Dienstag eine „historische“ Mitteilung an. Nachrichtensprecherin Ree Chun Hee verkündete in pinker Volkstracht mit überschwänglichen Pathos: Nordkorea habe eine Rakete abgefeuert, die „jedes Ziel auf der Welt treffen“ könne.
Laut ersten Einschätzungen unabhängiger Experten dürfte dies zwar übertrieben sein. Fest steht jedoch: Das Kim-Regime hat Dienstagmorgen erstmals eine Interkontinentalrakete erfolgreich getestet. Der Hwasong-14-Flugkörper erreichte 2.800 Kilometer Höhe, bevor er 933 Kilometer entfernt in japanischen Gewässern landete. Bei einer flacheren Flugkurve hätte die Rakete laut Experten 6.000 bis 7.000 Kilometer weit fliegen können.
Dies ist für die USA alarmierend. Denn dann wäre Nordkorea in der Lage, Teile von Alaska, womöglich gar Hawaii zu treffen. Noch sei das Regime zwar nach Einschätzungen der meisten Beobachter weit davon entfernt, Atomsprengköpfe für Interkontinentalraketen miniaturisieren zu können.
Trotzdem fielen die internationalen Reaktionen auf Nordkoreas Raketentest empört aus. Südkoreas liberaler Präsident Moon Jae In, der sich erst vor wenigen Tagen beim Treffen mit Donald Trump auf eine härtere Gangart gegenüber Pjöngjang geeinigt hat, warnte Kim Jong Un, nicht „die rote Linie“ zu überschreiten.
„Steigen die Spannungen mit Nordkorea weiter, werden sie früher oder später außer Kontrolle geraten – und die Konsequenzen wären verheerend“, mahnte Chinas UN-Botschafter Liu Jieyi. Peking schlägt vor, Nordkorea solle sein Atomprogramm einfrieren, Südkorea und die USA dafür ihre regelmäßigen Militärübungen einstellen.
Für Washington ist Nordkoreas Denuklearisierung jedoch Bedingung für Verhandlungen. Einen schnoddrigen Tweet adressierte Donald Trump an Nordkoreas Machthaber: „Hat dieser Typ nichts Besseres zu tun in seinem Leben? Vielleicht wird China nun erhebliche Maßnahmen ergreifen, um diesen Unsinn ein für alle Mal zu beenden.“
Trumps Tweet über Kim Jong Un
Chinas Öllieferungen nach Nordkorea gelten als Lebensader für das Kim-Regime. Das Reich der Mitte wickelt 90 Prozent des Außenhandels Nordkoreas ab. Doch scheint Peking verstärkt Druck mit dem Ölhahn zu machen. Nachdem China bereits seit Februar keine Kohle mehr aus Nordkorea importiert, meldete Reuters letzte Woche, der staatliche Ölmulti China National Petroleum, Nordkoreas wichtigster Treibstofflieferant, habe seine gesamten Verkäufe auf unbestimmte Zeit eingestellt.
„Grundsätzlich steht das Militär ganz oben auf der Prioritätenliste. Wird der Treibstoff knapp, leidet zuerst der zivile Sektor“, sagt der Nordkorea-Kener Rüdiger Frank von der Universität Wien: „Zumindest kurzfristig würde eine solche Maßnahme den Staat sogar stärken.“
Meinung + Diskussion
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen