piwik no script img

Ein Schritt aus dem Keller

Angriff Das Tischtennis-Talent Nils Hohmeier will eine Profi-Karriere beginnen. Dafür muss erdas Trainingszentrum des niedersächsischen Verbands verlassen und nach Düsseldorf wechseln

von christian otto

Den Weg nach unten schafft Nils Hohmeier auch mit verbundenen Augen. Einen dunklen Gang entlang, dann eine Treppe runter: Unten, in dieser modernen Sporthalle des Landessportbundes Niedersachsen, in der es künstlich duftet, opfern Horden von Leistungssportlern ihre Tage. Hohmeier hat hier einen Großteil seiner Kindheit verbracht.

„Es ist noch surreal, aber es ist ein Ziel“, sagt der 19-Jährige. In Kürze wird er in die Welt des bezahlten Sports aufbrechen, um Tischtennisprofi zu werden. Im Grunde ist er es schon längst, bloß ohne festes Gehalt. Seit einem Jahrzehnt lebt er mit Hilfe von Fördertraining und Sponsoren bereits für einen Sport, der ihn künftig ernähren soll.

Wenn er demnächst von Hannover nach Düsseldorf umzieht, liegt der übliche Papierkram an. Was trägt man dann ein in all die Formulare, auf denen steht: Beruf? Es wird Hohmeier ein wenig Überwindung kosten. Und doch dürfte es auch eine Art Ansporn sein, möglichst vielen Menschen, Verbänden und Behörden zu vermitteln, dass der kleine Nils wirklich etwas ganz Großes vorhat und sich als Tischtennisprofi versucht.

Um sich weiterzuentwickeln, schließt sich Hohmeier im deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf einer neuen Trainingsgruppe an. Der Rechtshänder aus Hannover gehört zur nationalen Elite. Deutscher Meister der Schüler, Vizemeister im Jugendbereich, Jugend-Europameister im Doppel: Hohmeiers Referenzen sind beachtlich.

In diesem Kellergeschoss in Hannover hat schon so mancher von der großen Karriere an der Platte geträumt. Dimitrij Ovtcharov hat einst wie Hohmeier unter der Obhut des Tischtennis-Verbandes Niedersachsen geübt und geübt und geübt. Heute gehört er zu den besten Spielern der Welt und ist wie Timo Boll ein großes Vorbild für alle Pingpong-Anfänger.

Hohmeier hat bereits als Fünfjähriger mit dem Tischtennis begonnen. Als er Grundschüler war, haben ihn seine Eltern mehrmals die Woche zum Training für Fortgeschrittene gefahren. Schon seit seinem zwölften Lebensjahr deckt ein Ausrüstervertrag mit einem Sportartikelhersteller einen Großteil seiner Kosten.

Ob seine richtig guten Grundlagen ausreichen werden, um eines Tages noch besser als viele andere Könner zu sein, muss er schlichtweg ausprobieren. Das Abitur hat Hohmeier geschafft. Für ein Studium wird sein Zeitbudget vorerst nicht ausreichen. Dazu nehmen das enorm hohe Trainingspensum und die anstehenden Reisen zu Pro-Tour-Turnieren nach Tschechien, Österreich und Spanien zu viel Zeit in Anspruch.

Bei Olympia werden Tischtennis-Profis bestaunt, aber so manches Ass bleibtim Dunkel dermiefigen Turnhallen unbeachtet

Der Tischtennissport unterliegt einem paradoxen Wechselspiel. Einerseits werden seine Protagonisten bei Olympischen Spielen bestaunt. Andererseits bleibt so manches Ass im Dunkel der miefigen Turnhallen unbeachtet. Einer wie Nils Hohmeier, der in der 3. Liga für den TuS 92 Celle spielt, könnte über diese Tücken einer Randsportart jammern. Aber er sieht lieber seine Chance, die er entschlossen nutzen will.

„Wir sind eine der Sportarten mit den meisten Profis weltweit“, sagt der junge Mann mit der positiven Art. Er hofft darauf, 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio starten zu dürfen. Auch dort wird er sich vermehrt mit asiatischen Konkurrenten herumschlagen müssen, die seine Sportart dominieren. Bis dahin will Hohmeier konsequent das Fördersystem des lokalen und nationalen Verbandes nutzen. Ihm stehen regelmäßig ein Physiotherapeut, ein Fitnesstrainer und ein Mentaltrainer zur Verfügung.

Traumhafte Bedingungen, die aus dem bisherigen Drittligaspieler Hohmeier einen noch besseren Tischtennispieler machen sollen. In der Weltrangliste der Männer steht er irgendwo zwischen Position 400 und 450. Sein Ziel, bald zu den weltweit besten 100 zu zählen, klingt atemberaubend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen