: Bahnvierer mit Puls 150
SEGELN Beim America’s Cup lassen die Neuseeländer das US-Team alt aussehen, weil sie den besseren Steuermann an Bord haben
von Sven Hansen
Mit 7:1 hat Neuseeland gegen die favorisierten USA die wichtigste Segel- und gleichzeitig älteste Sporttrophäe der Welt gewonnen. Damit gelang beim 35. America’s Cup vor den Bermuda-Inseln dem Team des jungen Steuermanns Peter Burling die bittere Niederlage der Kiwis von vor vier Jahren in San Francisco wettzumachen. Damals hatte Neuseeland bereits mit 8:1 geführt und dann noch mit 8:9 verloren. Jimmy Spithill, der australische Skipper des US-Teams, hatte jetzt wieder eine dramatische Aufholjagd in Aussicht gestellt. Doch trotz der in fünf Ruhetagen nach den ersten Finalwettfahrten verbesserten Bootgeschwindigkeit der Amerikaner hat Spithill dann einfach schlecht gesegelt.
Der Sieg der Kiwis war nie gefährdet, was das Finale im Vergleich zu 2013 weniger aufregend machte. Von seinem aggressiven Segelstil, für die der „Pitbull“ genannte Spithill bekannt ist, war nichts zu sehen. Vielmehr unterliefen ihm banale Fehler wie ein Frühstart oder das Überschreiten des Wettfahrtgebiets, was unnötige Strafen einbrachte. Im Vergleich mit dem erst 26-jährigen Supertalent Peter Burling, der in seiner Heimat zum Volkshelden werden dürfte, ist Spithill auch meist schlechter gestartet.
Im vorletzten Rennen wurde er von Burling vor der Startlinie hochgeluvt und damit einfach ausgebremst. Beim Start betrug sein Rückstand dann schon 14 Sekunden. Der erfahrene Cup-Steuermann wurde von dem Newcomer regelrecht düpiert. Nur im letzten Rennen gelang Spithill ein perfekter Nullstart. An der erste Boje betrug sein Vorsprung drei Sekunden. Doch durch eine verspätete Halse fiel das US-Boot schon auf dem ersten Vorwindkurs zurück. Danach bauten die Neuseeländer ihren Vorsprung auf bis zu 55 Sekunden im Ziel aus.
Der neuseeländische Steuermann Burling nahm mit 17 Jahren erstmals an Olympischen Spielen teil, vier Jahre später gewann er Silber, im letzten Jahr in Rio de Janeiro mit Blair Tuke die Goldmedaille im 49er. Er wirkt stets extrem cool, obwohl die von allen Cup-Seglern übertragenen Herzfrequenzen schon früh bei ihm einen Puls von über 150 anzeigten. Auch im Moment des größten Triumphes blieb Burling, dessen Erfolg auch auf die gute Teamarbeit mit dem jetzt wieder zentral agierenden Tuke zurückzuführen ist, bescheiden. Er ist jetzt mit seinen 26 Jahren der jüngste Cup-Gewinner in der 166-jährigen Geschichte dieses potthässlichen Pokals.
James Spithill, Skipper des US-Teams
Der jetzt entthronte Spithill hat oft eine ziemlich große Klappe und ein überbordendes Ego. Er erwies sich aber jetzt als fairer Verlierer. „Sie haben uns ausgesegelt, sie waren eine Klasse besser als wir“, sagte er über das siegreiche Team und verzichtete auf Schuldzuweisungen. Während Spithill jetzt wohl die längste Zeit Skipper des US-Teams gewesen sein dürfte, zeigte Neuseeland eine konstante und immer bessere Mannschaftsleistung bis hin zum besseren Design. „Burling hat die ganze Arbeit des Teams perfekt veredelt“, kommentierte Deutschlands bester Olympiasegler Jochen Schüman. Die Neuseeländer waren auch das einzige Team, dass den Hydraulikdruck, der für Trimm wie Manöver entscheidend ist, im Sitzen per Beinmuskeln mit Fahrradkurbeln erzeugten und nicht mit den Armen. Diese zunächst als „Bahnradvierer“ belächelte, aber viel wirkungsvollere Technik dürfte sich künftig durchsetzen.
Neuseeland gewinnt also den Pokal, den die USA jahrzehntelang abonniert hatten, nach 1995 und 2000 zum dritten Mal. Der Titelverteidiger kann die Bedingungen des nächsten Wettbewerbs bestimmen, auch Austragungsort, Bootstyp, Crewgröße und Vermarktungsrechte. Nachdem in den letzten Jahren der Hauptsponsor des US-Teams, IT-Milliardär Larry Ellison, dem Cup seinen Stempel aufdrückte, was mehrfach die Neuseeländer und andere Herausforderer verprellte, dürfte bald wieder mit größeren Änderungen zu rechnen sein. Als sicher gilt bisher nur, dass der nächste Cup im segelbegeisterten Neuseeland ausgetragen wird.
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