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Das stinkt alles zum Himmel

Griechenland Seuchengefahr und Rattenplage: Die Müllabfuhr befindet sich im Streik, weil die Kommunen die Arbeiter nicht mehr fest anstellen. Jetzt droht Privatisierung

MitarbeiterInnen der Stadtreinigung in Athen fordern ihre Weiterbeschäftigung Foto: Costas Baltas/reuters

Aus Athen Jannis Papadimitriou

Vor allem in der Athener Innenstadt und am frequentierten Hafen von Piräus türmen sich die Müllberge, ausgerechnet zum Höhepunkt der Urlaubssaison und bei Temperaturen von über 35 Grad. In den nächsten Tagen wird eine noch stärkere Hitzewelle erwartet. Im Großraum Athen sind vermehrt Ratten gesichtet worden. Viele Menschen bringen ihren Müll nicht mehr raus, sondern lagern ihn erst einmal auf dem Balkon. Das empfiehlt nicht zuletzt die staatliche Seuchenbehörde KEELPNO, die vor Ausbreitung gefährlicher Krankheiten warnt. Ältere Menschen sollen am besten gleich zu Hause bleiben, empfiehlt das Umweltministerium.

Am Sonntag kamen Innenminister Panos Skourletis und die Gewerkschaft der Kommunalangestellten POE-OTA zusammen, um einen Kompromiss auszuhandeln. Doch reden beide Seiten immer noch aneinander vorbei. Die Regierung verweist auf leere Kassen und will höchstens 2.500 Einstellungen auf den Weg bringen, während die Gewerkschaft auf eine Festeinstellung aller 6.500 Mitarbeiter pocht, die bei der Stadtreinigung prekär beschäftigt werden. Die Verhandlungsrunde wurde schnell für gescheitert erklärt; darauf drohte POE-OTA mit der Fortsetzung der Streikaktionen, und zwar mindestens bis Donnerstag. Als Zeichen des guten Willens will die Gewerkschaft in den nächsten Tagen Müll vor Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen abfahren. Allerdings kommt es am Montag auch zu weiteren Protestaktionen und Protestmärschen der Gewerkschaft in vielen griechischen Städten. Zudem wollen die Streikenden Müllhalden besetzen, damit sich auch kein Streikbrecher oder Privatbetreiber um die Müllabfuhr kümmert. „Ich habe fünf Kinder, ich will arbeiten. Ich habe ein Recht, meine Kinder anständig erziehen zu können klagt eine Müllarbeiterin im TV-Sender Skai.

MitarbeiterInnen der Stadtreinigung werden über Zeitverträge beschäftigt, die laufend erneuert werden

Der Streik der Müllarbeiter war programmiert. Denn im Prinzip geht es immer wieder um das Gleiche: Da sich die griechischen Städte und Gemeinden derzeit keine Festanstellungen leisten können, werden Mitarbeiter der Stadtreinigung über Zeitverträge beschäftigt, die laufend erneuert werden. Mancherorts müssen die Müllarbeiter nach Ablauf ihres befristeten Vertrages aus arbeitsrechtlichen Gründen mehrere Monate pausieren, um anschließend bei der nächsten Anstellungsrunde noch einmal berücksichtigt zu werden. Der Durchschnittslohn beträgt rund 700 Euro ohne Zulagen. Für Arbeitnehmer ohne Fachausbildung ist auch diese bescheidene Summe nicht zu unterschätzen. In der Regel wird die Erneuerung von Zeitverträgen durch Streiks erzwungen. Außerdem protestiert die POE-OTA heftig gegen die Kürzung von Sonderzulagen und weiteren Sparmaßnahmen für Kommunalangestellten. Aus diesem Grund war es bereits Ende Mai zu Warnstreiks gekommen.

Yannis Boutaris, der linksgerichtete Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Thessaloniki, hat sich für eine Lösung entschieden, die POE-OTA vermutlich erst recht erzürnen wird: Am Sonntag erklärte die Stadtbehörde, die Müllabfuhr an private Dienstleister zu vergeben. Kosten: 192.000 Euro. Aus Dringlichkeitsgründen findet nicht einmal eine ordentliche Ausschreibung statt. Drei Privatbetreiber sollen bereits Interesse bekundet haben und wollen mit dem Bürgermeister am Montag Näheres besprechen. Wiederholt hat POE-OTA erklärt, die Vergabe der Müllabfuhr an Private sei ein Kriegsgrund. Eine Sprecherin der Gewerkschaft droht bereits mit erhöhter Streikbereitschaft in Thessaloniki.

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