piwik no script img

Tag der Architektur in BerlinVom Minimalhaus zum Wohnriegel

Am Wochenende zeigen Architekten in Berlin ihre Baukunst. Im Fokus steht der Wohnungsbau.

Der Turm der IGA in Marzahn-Hellersdorf Foto: Hanns Joosten

Es ist schon merkwürdig, wenn am „Tag der Architektur“ ein auf der Liste der zu besichtigenden Objekte präsentiertes Haus sich eher verschließt als öffnet. Statt wie alle anderen Gebäude seine Räumlichkeiten und baulichen Besonderheiten, ja, sein ganzes Pathos herzuzeigen, bleiben bei der Hauptzentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) an der Chausseestraße an diesem Sonntag die Jalousien unten. Nomen est omen – auch architektonisch.

Nur einen Spalt macht der BND auf: Besucher dürfen bei Führungen „im Außenbereich“ auf das Gelände, aber nicht ins Haus. Ob das Konzept von Jan Klei­hues (Berlin) für den riesigen und fast 1,1 Milliarden Euro teuren Komplex, in dem 4.000 „Schlapphüte“ arbeiten werden, sticht, bleibt also auch bei den Architekturtagen topsecret.

Der BND bleibt zum Glück ein „Ausreißer“ unter den Rundgängen durch Häuser, Wohnungen, Parks und in „offene Architektenbüros“ am 24. und 25. Juni in Berlin. Geheimdienstzentralen, darauf verweisen auch die veranstaltenden Architektenkammern explizit, gehören nicht zu den Bauformen, die unsere Städte und die Bewohner ak­tuell benötigen.

Lebensqualität schaffen

Darum zeigt auch das Motto der bundesweiten Architekturtage – „Architektur schafft Lebensqualität“ – in diesem Jahr in eine wesentlich andere Richtung: „Im Fokus steht der bezahlbare und qualitätvolle Wohnungsbau“, konstatierte Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) bei der Vorstellung des Programms. Diesen Faden nimmt Berlin natürlich auf. Die örtliche Architektenkammer beteilige sich „an dem Schwerpunkt mit mehr als 125 Aktionen und 49 Führungen vom alternativen Wohnprojekt bis zum Baugruppengarten und vom Minihaus bis zum Genossenschaftswohnen auf der Etage“, so die Sprecherin Birgit Koch.

Wie also sollten Wohnhäuser, Siedlungen, öffentliche Plätze, Kindergärten, Schulen, aber auch Gewerbestandorte aussehen für die in Berlin bis 2030 erwarteten 400.000 Zuzügler? Wie muss gebaut werden, damit nicht durch zu hohe Verdichtung oder Profitdenken Monotonie und Eintönigkeit entstehen, sondern neue großstädtische Architekturen für ein sozial intaktes Zusammenleben? Wie müssen die urbanen Räume beschaffen sein, damit sich Menschen dort gern aufhalten und wohlfühlen?

Der Tag der Architektur

Beim bundesweiten Tag der Architektur werden 2017 rund 1.300 Objekte präsentiert. Am Samstag und Sonntag (24. und 25. Juni 2017) können sich auch in Berlin Interessierte mit Architekten und Bauherren auf Rundgängen, bei Vorträgen und Diskussionen über deren Neubauten oder Renovierungen austauschen. Die Führungen sind – bis auf das IGA-Gelände – kostenlos. Infos und Termine unter: www.ak-berlin.de

Highlights sind die neuen Wohn- und Bürobauten in Mitte und Treptow-Köpenick, aber auch entspannte Orte wie das Graft-Architekten-Brauhaus BRLO Brwhouse am Gleisdreieck. Ein Glas im Biergarten stärkt für weitere Führungen. Infos: www.graftlab.com

Wer weiter raus will, kann die vielen neuen Potsdamer Wohnstandorte oder das ehemalige Schlachthaus in Müncheberg (Trebnitz) besuchen, das zum Ausstellungsgebäude umgebaut wurde und mit einem Tagesprogramm am Sonntag einlädt. Infos: www.ak-brandenburg.de. (rola)

Defizite in Berlin

Bei Ideen für den neuen Wohnungsbau hatte Berlin in den vergangenen Jahrzehnten große Defizite zu verzeichnen. Dass diese Fragen trotzdem in Teilen baukulturell beantwortet sind, zeigen einige Projekte exemplarisch. Es gibt neue Gartenstädte und Wohnviertel wie etwa das Quartier „12 Brüder“ (Architekten Arnold/Gladisch) in Treptow-Köpenick. Das Büro von Sascha Zander und Christian Roth entwarf zwei Wohnblöcke, die den Schmollerplatz wieder räumlich einfassen.

Aber es tut sich nicht nur etwas im Geschossbau. So schafft es etwa Nataliya Sukhova mit ihrem „Futteralhaus“, einem „vorgefertigten ökologischen Minimalhaus“ mit Wohn-, Schlaf- und Kochraum im Industriegelände Schöneweide, baulich und finanziell innovativ und kreativ zu sein.

Wie im Wohnungsbau perspektivisch gebaut werden kann – und muss –, veranschaulicht ein Projekt in Tempelhof. Der rund 100 Meter lange Neubau mit 33 Wohneinheiten von DMSW Architekten (Dahlhaus, Müller, Simons, Wehage) in der Gottlieb-Dunkel-Straße ist ein Beispiel für großen und großstädtischen Wohn-, ja Siedlungsbau.

Statt öder Pragmatik oder scheinbar mediterranem Retrostil wie bei den derzeit üblichen Stadtvillenblöckchen haben die Architekten einen schnittigen Riegel entworfen, der „der Architektur der 20er Jahre“ seine Reminiszenz erweist, wie Architekt Michael Müller erklärt. Während sich der Bau zur Straße zurücknimmt, öffnet er sich zur Gartenseite mit Grünflächen und horizontalen Bändern für Balkone und erfüllt die Maßgabe gesteigerter Lebensqualität durch Architektur, die ruhig noch mehr Geschosse vertragen hätte.

Auch Landschaftsarchitektur

Eine gute Idee der Architektenkammer ist schließlich, gleich in ein ganzes Konzept einzuladen, damit dieses hinterfragt werden kann. Die Architekturtage führen am Samstag und Sonntag auch auf das Gelände der Internationalen Garten Ausstellung (IGA) in Marzahn-Hellersdorf. Gartenkunst, Landschaftsplanung und die IGA-Bauten – wie der Aussichtsturm „Wolkenhain“ der Kolb Ripke Architekten, das Besucherzen­trum vom Büro Partner & Partner oder die „Promenade Aquatica“ der Landschaftsarchitekten Geskes und Hack – sollen ihren Wert inmitten der Plattenbausiedlungen beweisen.

„Wir benötigen dringend Räume und Orte, die gut gestaltet sind, denn deren Qualität prägt unser Leben und damit uns selbst“, fordert Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, aus Anlass der Architekturtage.

Die IGA ist ein Anfang, aber man kann beim Besuch dort auch feststellen, dass dies für den Bezirk Marzahn-Hellersdorf nicht ausreicht. Es braucht mehr bauliche Lebensqualität.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!