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„Können die das überhaupt?“

Wirtschaft Veränderungen im Unternehmen sind oftmals Ursache für Konflikte. Eine Mediation kann helfen – aber nicht immer

Von Mirko Heinemann

Der große Streit begann, als der Industrielle seine Firma an den Sohn überschrieb. Bis dahin war in der Bank, die das Unternehmen begleitete, alles geregelt: Die drei Bereiche der Bank trennten sich in die Felder Service, Geschäftskunden und Privatkunden. Während der allgemeine Service das Laufpublikum betreute, erfolgte die Kreditvergabe, Vermögensberatung und Altersvorsorge von solventen Privatkunden in einer eigenen Abteilung. Bei den Geschäftskunden war es ähnlich, nur eine Klasse besser. Unternehmenskredite wurden abgeschlossen, hohe Beträge umgeschichtet, Firmenvermögen betreut. Hier floss das große Geld.

So war der Unmut des Abteilungsleiter des Geschäftskundenbereichs vielleicht nicht überraschend, als es plötzlich hieß, der frisch gebackene Pensionär mit seinem nicht unerheblichen Vermögen solle fürderhin von der Privatkunden-Abteilung betreut werden. „Können die das überhaupt?“, fragte sich der Abteilungsleiter. Den – negativen – Befund übermittelte er seinem Kollegen, dem Abteilungsleiter Privatkunden, bei einer Begegnung auf dem Flur. Dies führte zu Beschimpfungen, der Streit eskalierte. Als schließlich sogar der Kunde sich wunderte, wie despektierlich die eine über die andere Abteilung sprach, schaltete sich die Leitung der Bank ein. Eine externe Mediatorin wurde angefragt, die im Konflikt vermitteln sollte.

So kam Dorothea Faller ins Spiel. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind innerbetriebliche Mediation, Beratung und Konfliktbearbeitung in Organisationen. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie die Medius GmbH, ein externes Beratungsunternehmen, das auf solche Konflikte wie den oben beschriebenen spezialisiert ist. „Innerbetriebliche Konflikte entwickeln sich in der Regel über einen längeren Zeitraum“, erklärt Dorothea Faller. „Kleinere Konflikte oder unerwartete Ereignisse werden allmählich zu ständigen Begleitern. Und so verwandeln sich vorübergehende Ärgernisse und einfache Konfliktsituationen in Probleme, die am Ende das ganze Unternehmen bedrängen.“ Ziel der Mediation sei es, in solchen Konflikten einen Konsens zu erreichen, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert. „Wir fungieren als neutrale, unparteiische Personen, die den Prozess organisieren und strukturieren.“ Ziel: eine Lösung, die für alle Beteiligten vorteilhaft ist.

Ihr Arbeitsfeld ist noch relativ jung. Erst in den 1990er Jahren drang die Mediation, die in der Familientherapie schon lange eine wichtige Rolle spielte, in die Welt der Wirtschaft vor. Die Gründe waren vielfältig: Zu der allmählichen Öffnung der Unternehmen für externe Beratung kam die zunehmende Komplexität in der Arbeitswelt, dazu gesellten sich Strukturen, die weniger auf Hierarchien und mehr auf Teamarbeit ausgelegt waren, und eine zunehmende Verantwortung in allen Bereichen.

Eine Mediation beginnt in der Regel mit Vorgesprächen. Im Falle der Bank haben die Mediatoren ein halbes Dutzend Einzelgespräche mit den Streitenden geführt. „Daraufhin haben wir gemerkt, dass ein Problem darin lag, dass es an klaren Vorgaben gefehlt hatte, wie der Bereich Privatkunden sich von dem Bereich Geschäftskunden unterscheidet“, so Faller. Gemeinsam mit der Leitungsgruppe der Bank erarbeitete sie, wie sich die Bereiche klarer voneinander abgrenzen könnten. Das war der eine Teil der Aufgabe.

Problematisch wird es, wenn eine Seite überhaupt kein Interesse an einer Einigung hat

Der andere Teil der Aufgabe betraf die menschliche Seite des Konfliktes. Wie sollten die beiden Abteilungsleiter künftig wieder gut miteinander auskommen, nachdem sie sich schwer beleidigt hatten? Am Ende halfen klärende Gespräche. „Dabei konnten wir den Streitenden klar machen, dass sie keinen persönlichen Konflikt miteinander austrugen, sondern dass die mangelhafte Organisation ursächlich für ihren Konflikt war.“

Im Übrigen sei dies eine recht häufige Problemlage in der Wirtschaftsmediation, so Faller. „Schlechte Organisationsstrukturen oder schwierige Prozesse verursachen Konflikte im Unternehmen.“ Deshalb müssen Mediatoren nicht nur psychologisch geschult sein, sondern auch Ahnung von Unternehmensmanagement haben. „Konfliktmanagement als Baustein von Change-Management“, so heißt ein wichtiger Baustein des weiterbildendenden Studienganges „Mediation und Konfliktmanagement in Wirtschaft und Arbeitswelt“ an der Ruhr-Universität Bochum, dessen Ausbildungsleiterin Dorothea Faller ist. „Change“, also Veränderungsprozesse in den Unternehmen, sind nämlich oftmals Auslöser von Konflikten. „Wenn Funktionen, Arbeitsbeschreibungen und Hierarchien sich plötzlich verändern, gerät ein erprobtes System aus den Fugen“, so Faller.

Mediation ist aber kein Allheilmittel, gibt sie zu bedenken. So machen manche Arbeitsgerichte inzwischen bei einer Kündigung eine Mediation zur Auflage. Faller sieht diese Praxis kritisch: „Hier hat der Arbeitgeber in der Regel gar kein Interesse an der Lösung des Konfliktes und damit an der Mediation.“ Das Prinzip stoße damit an seine natürlichen Grenzen. Denn Voraussetzung für eine erfolgreiche Mediation sei ein beiderseitiges Interesse an der Lösung des Konflikts. „Wenn das nicht mehr vorhanden ist, dann ist es vielleicht wirklich besser, sich zu trennen und neue Wege zu gehen.“

Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt: www.bmwa-deutschland.de

Deutsche Gesellschaft für Mediation in der Wirtschaft: www.dgmw.de

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