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Schlichten hinter Gittern

Gewaltprävention Aktiv zuhören, gezielte Fragen stellen, nach kreativen Lösungen suchen: Inhaftierte profitieren von der Fähigkeit, Streitigkeiten im Gespräch beizulegen

Viele, die wegen Gewaltdelikten einsitzen, haben früher Konflikte nicht verbal gelöst Foto: Saba Laudanna

Von Volker Engels

Berlin Plötzensee klingt für manche vielleicht erst mal nach Sommeridylle. Zumindest die rund 310 inhaftierten Jugendlichen verbinden mit dem Begriff wahrscheinlich weniger romantische Vorstelllungen. Denn sie sitzen dort in der Jugendstrafanstalt (JSA) eine Haftstrafe ab. Durchschnittlich 14 bis 16 Monate verbringen die inhaftierten jungen Männer in der Strafanstalt, bevor sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Viele von ihnen nutzen die Möglichkeit, in Haft eine Ausbildung zum Peer-Mediator zu absolvieren.

„Die Mediationsausbildung dauert 40 Stunden und wird mit einer schriftlichen Prüfung abgeschlossen“, sagt Janina Deininger, die als Leiterin der sozialpädagogischen Abteilung in der JSA unter anderem das Mediationsangebot verantwortet. Hinter der Methode, die vor allem in Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen angewendet wird, verbirgt sich die Idee, dass Gleichaltrige mit ähnlichen Erfahrungen in Konflikten gut vermitteln können. „Die Sprache von jungen Menschen können junge Menschen am besten sprechen“, sagt der Berliner Mediator und Ausbilder Michael Cramer, der unter anderem Lehrer schult, die an der Schule Peer-Mediations-Programme aufbauen und begleiten.

„Das Jugendstrafvollzugsgesetz sieht ausdrücklich erzieherische Maßnahmen vor“, sagt die Sozialpädagogin Deininger. Man müsste jungen Inhaftierten die Möglichkeit geben, auch während der Haftstrafe Fähigkeiten zu erwerben, die sie in der Haft und nach der Entlassung nutzen könnten. „Viele der jungen Männer, die wegen Gewaltdelikten einsitzen, haben in der Vergangenheit Konflikte nicht verbal gelöst, sondern dadurch, dass sie zugeschlagen haben.“ In der Ausbildung lernen sie zum Beispiel, aktiv zuzuhören, gezielte Fragen zu stellen oder die Konfliktparteien bei der Suche nach kreativen und realistischen Lösungen zu unterstützen. „Die Kursteilnehmer erfahren, wie wichtig es ist, die Perspektive zu wechseln, und dass ihr eigenes Verhalten einen direkten Einfluss auf das Verhalten anderer Menschen hat.“ Das schärfe den Blick für den Beginn und den Verlauf von Konflikten. Auch Michael Cramer sieht die positiven Aspekte eines Perspektivenwechsels: „Dadurch ist es möglich, die eigene Sichtweise und die Position des Gegenübers besser zu verstehen.“ Häufig stünde hinter Konflikten „das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Sicherheit“. Diese Bedürfnisse würden aber häufig nicht artikuliert.

Inhaftierte, die sich während der Ausbildung als besonders geeignet erweisen und die Abschlussprüfung bestanden haben, werden innerhalb der JSA als Mediatoren eingesetzt. „Die Methode bietet sich besonders im Vorfeld einer (körperlichen) Auseinandersetzung an“, sagt die leitende Sozialpädagogin. Stellen Mitarbeiter der JSA zum Beispiel fest, dass der Umgangston zwischen Inhaftierten aggressiv wird, es zu Beschimpfungen oder Beleidigungen kommt oder Inhaftierte zu Mobbing-Opfern werden, kommen die Peer-Mediatoren ins Spiel. Konflikte, die sich aus kulturellen, sprachlichen oder auch aus religiösen Missverständnissen ergeben, können ebenfalls Gegenstand einer anberaumten Mediation sein.

Die jungen Mediatoren werden immer von einer pädagogischen Fachkraft begleitet, die selbst ausgebildete Mediatorin ist. Drei bis vier Mediationslehrgänge mit jeweils acht bis zehn Teilnehmern bietet die Jugendstrafanstalt jährlich an. Die Teilnahme an den Lehrgängen ist freiwillig, geworben wird vorwiegend über Mund-zu-Mund-Propaganda oder die Jugendlichen kommen auf Empfehlung des Sozialdienstes. „Viele begreifen ziemlich schnell, dass sie selbst am meisten davon profitieren, wenn sie Konflikte friedlich lösen.“

Viele Häftlinge nutzen die Chance, eine Ausbildungzum Peer-Mediator zu absolvieren

Aber auch die Mitarbeiter der JSA profitieren von dem Angebot, das es inzwischen schon seit rund zehn Jahren gibt. In einer Mitarbeiterbefragung vor zwei Jahren gab eine deutliche Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Protokoll, dass sie gute Erfahrungen mit dem Einsatz jugendlicher Mediatoren gemacht hätten.

Die meisten jungen Menschen, die sich zum Peer-Mediator ausbilden lassen, seien „stolz darauf, etwas hinzukriegen“, sagt Michael Cramer. Denn sie erlebten sich nicht nur als Verursacher eines Problems, sondern als Teil der Lösung.

„Vor zwei Jahren“, erzählt Janina Deininger, „haben zwei inhaftierte Jugendliche, die eine Ausbildung zum Mediator absolviert haben, mit einer unserer pädagogischen Mitarbeiterin einen Mediations-Workshop in einer Berliner Oberschule angeboten.“

Weitere Informationen:www.jugendstrafanstalt-berlin.dewww.klaeren-und-loesen.de

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