piwik no script img

Rassismus an der Club-Tür

DiskriminierungIn Braunschweig mehren sich Vorwürfe gegen Türsteher, Männer mit Migrationshintergrund nicht reinzulassen. Stichproben legen nahe: Es gibt ein Problem

von Andreas Speit

Im „Bierkönig“ waren die Nazis unerwünscht. Am vergangenen Freitag wollte eine Gruppe Rechtsextremer in der bekannten Location auf Mallorca feiern. Sie brachten eine Reichskriegsflagge mit und skandierten „Ausländer raus“ – unter ihnen war Dennis Kiebitz aus dem Landkreis Wolfenbüttel, der bei VW in Salzgitter arbeitet und sich als auch Türsteher in Braunschweig verdingt. Nicht nur für Sängerin Mia Julia Brückner waren die Rechten zu viel, sondern auch für die anderen Gäste. „Macht sofort die Scheiße da runter“, sagte Brückner von der Bühne und sang mit ihren Fans „Nazis raus“ und „Jeder Nazi ist ein Hurensohn“.

Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts erkannte Kiebitz auf Fotos, die die rechte Reisegruppe feiernd im „Bierkönig“ oder mit Hitler-Gruß am Strand zeigen. Kiebitz ist in der Braunschweiger Region bekannt, hatte etwa als Mitglied der elitären Neonazi-Bruderschaft „Hammer Skins“ bereits 2013 ein bundesweites „National Officer Meeting“ im Dorfgemeinschaftshaus in Werlaburgdorf im Landkreis Wolfenbüttel organisiert.

„Rassistische Praxis“

Das Bündnis gegen Rechts thematisiert schon seit Jahren die „rassistische Praxis“ an Braunschweiger Disko-Türen. Auch eine Unternehmensgruppe, die in Braunschweig mehrere Clubs betreibt, sei über Kiebitz’politische Haltung informiert worden. „Ohne Auswirkung“, sagte David Janzen vom Bündnis. Kiebitz wurde trotzdem weiter als Türsteher gebucht.

Erfahrungen wie die von Valentin Lukas Hörnig im Club „Schwanensee“ sind für Janzen und seine KollegInnen keine Seltenheit. Hörnig war im Februar mit Freunden unterwegs, drei seiner Freunde sind nach Deutschland geflohen, haben keinen deutschen Pass, aber eine Aufenthaltsgenehmigung. An den Türstehern des Schwanensees kamen sie nicht vorbei. Die Türsteher sagten auf Nachfrage nichts, stießen die Männer lediglich zur Seite. Es kam zu einer Rangelei, angeblich wurde einer der drei jungen Männer von einem der Türsteher geschlagen und getreten, berichtet Hörnig. Sie gingen zur Polizei.

Auch über andere Braunschweiger Clubs liegen dem Bündnis gegen Rechts zufolge ähnliche Beschwerden vor. Die Bewertungen gehen aber auseinander. Die Betreiber argumentieren in der Regel damit, dass die an der Tür abgewiesenen Männer etwa zu betrunken gewesen seien oder größere Männergruppen generell problematische Gäste seien.

Türen getestet

Die Braunschweiger Linken wollten es genauer wissen. Sie reichten nun nach dem Schwanenseee-Vorfall einen Antrag im Stadtrat ein: Innerhalb der nächsten sechs Monate solle stichprobenartig getestet werden, ob Kneipen und Diskotheken mit ihrer Türpolitik gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Im Wirtschaftsausschuss lehnten Grüne, AfD, CDU und SPD diesen Antrag ab.

Die städtische Verwaltung testete in der Nacht zum 1. April trotzdem die Einlasskontrollen von sechs Diskos. Sie schickten jeweils zwei Menschen mit erkennbarem Migrationshintergrund und anschließend zwei Menschen ohne erkennbaren Migrationshintergrund los. Ergebnis: In vier Fällen ließen die Türsteher die Menschen mit Migrationshintergrund nicht rein – die alters- und kleidungsmäßig vergleichbare Kontrollgruppe hingegen schon.

Den Betreibern drohen nun Geldbußen. Denn seit einer Änderung des Gaststättengesetzes in Niedersachsen werden Diskriminierungen an der Tür als Ordnungswidrigkeit geahndet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen