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Sauber! Der Müll-platz als Hingucker

TONNEWo der Neubau boomt, dürfen durchgestylte Müllplätze nicht fehlen. Ein Architektenwettbewerb zeigt, wie Berlins Abfallecken in Zukunft aussehen könnten

von Rolf Lautenschläger

Was waren das für Zeiten – wir reden von 1980 bis 2000 –, als der tägliche Müll und der Inhalt unserer grauen Abfalltonnen noch ernste Themen waren. Es ging darum, weniger Müll zu produzieren, ihn zu trennen und zu sortieren.

Metalle, Baustoffe oder Glas wurden in speziellen Müllcontainern gesammelt und recycelt. Das Müllauto und die Kehrmaschine fuhren nicht nur auf die Kippe, sondern dorthin, wo Mikroorganismen den Abfall zerlegten. Das war „grün“ und bio.

Und heute? Im Zeitalter von Datenmüll gibt es den obigen Anspruch noch immer. Aber wir gehen – mal ehrlich – an die Sache doch entspannter ran. Nämlich ästhetisch.

Es werden Bücher wie die von Thomas Eriksen zu den „verdrängten Tatsachen der modernen Zivilisation“ geschrieben. In Sydney fahren Müllwagen mit Zeilen aus der Weltliteratur geschmückt herum. Die BSR macht auf Cleanwork orange.

Um dem eins draufzusetzen, haben der Bund Deutscher Architekten (BDA) Berlin, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und die BSR den ersten „Architektur-Wettbewerb zur Gestaltung innovativer Müllplätze“ ausgelobt. Wo der Neubau boomt, dürften „durchgestylte“ Müllcontainer nicht fehlen, so ihr Argument. „Denn der konventionelle Müllplatz gilt nicht als architektonischer Hingucker.“

Von den 71 Einreichungen trat die Jury nur wenige in die besagte Tonne. Die neun ersten Preisträger wurden dagegen jetzt in der Berlinischen Galerie in den Kategorien „State of the Art“ (heute), „Next“ (morgen) und „Freestyle“ (Zukunft) mit insgesamt 15.000 Euro ausgezeichnet.

Dass bei den Siegerentwürfen nicht Drahtkäfige, sondern Entsorgungsarchitekturen par excellence herauskamen, ist evident. Schließlich gehören wir zu den Müllweltmeistern der Republik und haben Anspruch auf die bauliche Abfall-Champions-League.

Für die Landschaftsarchitektin Dagmar Gast (Berlin) etwa sieht der Müllplatz 3.0 wie ein gelandetes Ufo aus. Ihre „Ellipse“ aus Edelstahl gleicht einem avantgardistischen Health-Center für Alltags- und Sondermüll und weist in die Zukunft der Entsorgung: nämlich ins Weltall.

Während sich viele Büros noch dekonstruktivistische Verschläge ausdachten, sind für Tosca Albrecht (Detmold) oder die „Baupiloten“ (Berlin) die zukünftigen Müllstandorte witzig, spielerisch, multifunktional. Ihr farbiger Kletterboulder etwa zeigt, wie man kreativ und nützlich zugleich mit der Sache umgehen könnte. Albrechts „Orgelpfeifen“ – bunte und je nach Füllung sich hebende und senkende Tonnen – machen aus der Abfall- eine Spielecke in Bewegung.

Typisch Berlin und sicher der beste Entwurf ist schließlich Jan Philipp Wotschkes (Detmold) „Müll-Litfaßsäule“. Seit 160 Jahren gehört die Säule zu Berlin, hat aber heute kaum noch Nutzen. In Zukunft, meint Wotschke, könnte ihr Sockel zum Abfall-Zylinder avancieren und Infos vermitteln.

Man sollte das alles nicht so ernst nehmen und neumodisch-baulich hinter jeder Fluse her sein. Wie wäre es, auch mal an die Müllmänner zu denken, die die Tonnen schleppen. Tanja Wielgoß, BSR-Chefin, sieht den innovativen Müllplatz darum etwas anders: „Innovative und barrierearme Müllplätze sind nicht nur für Mieter, sondern auch für die Beschäftigten wichtig, die den Müll holen.“ Denn ohne Müllmänner bleibt selbst der innovativste Müllplatz nur dreckig.

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