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„Wir müssen Incirlik verlassen“

Diplomatie Nach dem Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete in der Türkei droht Merkel dem türkischen Präsidenten damit, die Bundeswehr aus Incirlik abzuziehen

Bundeswehr vielleicht bald nicht mehr auf dem Luftwaffenstützpunkt? Foto: Falk Bärwald/dpa

Von Klara Weidemann

BERLIN taz | Wegen der Besuchsverbote für Bundestagsabgeordnete auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Türkei mit dem Abzug der deutschen Soldaten gedroht. Sie werde im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Rande des Nato-Gipfels „sehr deutlich machen“, dass die Besuche „unabdingbar“ seien, sagte Merkel am Donnerstag in Brüssel. „Ansonsten müssen wir Incirlik verlassen.“

Eine überfraktionelle Delegation um die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth (Grüne), konnte am Donnerstag nicht wie geplant in die Türkei reisen. Von „allerhöchster Stelle“ habe die türkische Seite erklärt, dass ein Besuch der Abgeordneten nicht opportun sei, sagte Roth. Auf dem Programm standen Treffen mit türkischen Regierungsmitgliedern, der Opposition und Vertretern der Zivilgesellschaft wie etwa dem Goethe-Institut.

„Es ist einmalig, dass eine solche Reise, die seit April geplant und angefragt wurde, so kurzfristig abgesagt wird“, sagte Roth. Vorher hatte der stellvertretende türkische Außenminister dem deutschen Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, mitgeteilt, dass es keine offiziellen politischen Gespräche und keine protokollarische Begleitung während der Reise geben werde. Insofern sei auch kein Schutz für die Delegation gegeben. „Wir wären faktisch als Touristen gereist“, sagt Roth. Nicht einmal das Parlamentsgebäude hätte man besuchen können.

Gemeinsam mit Roth sollten Matthias Zimmer (CDU), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg und der außenpolitische Sprecher der Bundestags-SPD, Niels Annen, mit in die Türkei reisen. Annen betonte, dass bei der Reise gemeinsame Interessen, wie der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat, im Fokus gestanden hätten. „Es ging nicht nur um rein innen­politische Themen“, sagte Annen.

„De facto ist das eine ­Absage an den politischen Dialog“, ergänzte Roth. Mit dieser „politischen Provokation“ habe eine neue Eskalationsstufe der deutsch-türkischen Beziehungen begonnen. „Das ist eine Rote Karte für den Bundestag, unverantwortlich und inakzeptabel“, sagte Roth. SPD und Grüne sprechen sich weiterhin dafür aus, den Gesprächsfaden mit der Türkei nicht abreißen zu lassen.

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