Krawatten, Rüstungen und Protz

57. BIENNALE Zwischen Kunst und Kommerz: Notizen aus Venedig

Wäre es nicht denkbar, dass die Kunsthauptstadt Venedig im Mai 2017 irgendwo auf das Jahr 1967 und den Summer of Love vor einem halben Jahrhundert referiert? Doch nichts ist Venedig ferner als dieser psychedelische kalifornische Traum. Das zeigt schon die Fahrt mit dem Vaporetto von der Piazzale Roma den Canal Grande entlang, vorbei an François Pinaults Palazzo Grassi, wo eine überdimensionale Skulptur des Briten Damian Hirst die Öffentlichkeit grüßt.

Scheußlich, kitschig, grausig möchte man seine neuesten „Treasures from the Wreck of the Unbelievable“ nennen. Der Großunternehmer Pinault tritt bei der Schau nicht als Sammler, sondern als Händler auf, der er als Eigentümer des Auktionshauses Christie’s praktischerweise eh schon ist. Zwischen 500.000 und 5 Millionen US-Dollar kosten die Teile, für die es Schlösser und Parks braucht, um sie aufzustellen.

Superbe Recherche

An der Haltestelle Accademia haben dann die Zürcher von Hauser & Wirth die Galleria dell’Accademia di Venezia übernommen. Im direkten Umfeld der weltweit größten Sammlung venezianischer Malerei, darunter Tiepolo, Tintoretto oder Tizian, stellt die Großgalerie „Philipp Guston and the Poets“ aus. Eine superbe, kulturwissenschaftlich raffinierte Recherche zu den literarischen Einflüssen Philipp Gustons (1913–1980) anhand des Werks von D. H. Lawrence, W. B. Yeats, Wallace Stevens, Eugenio Montale und T. S. Eliot, die am Ende doch nur die aufwändige Verpackung einer Verkaufsschau ist.Sehr aufrecht und solitär wirkt da an der Ponte d’Accademia, auf der Seite des Campo San Marco, der Pavillon of Humanity, den die Künstlerinnen Michal Cole und Ekin Onat mit enormer Eigeninitiative gestemmt haben. Die jüdisch-muslimische Kollaboration, als die die beiden ihre Zusammenarbeit ganz bewusst definieren, kulminiert in der Gesamtinstallation, die das häusliche Umfeld in einen Ort des Protests verwandelt, etwa wenn Michal Cole den Salon ausschließlich aus zusammengenähten Krawatten gestaltet und das schwarz möblierte Esszimmer aus den geschredderten Plastikrüstungen besteht, wie sie die türkische Polizei auch im Kampfeinsatz trägt. „Objection“ wendet sich gegen patriarchale Strukturen und in Ekin Onats Performances konkret gegen die Polizeigewalt in der Türkei. Brigitte Werneburg