: Reich auch ohne Kohle
Braunkohle I Wenn bis 2030 Tagebaue und Kraftwerke geschlossen werden, könnten die wegfallenden Jobs in der Region durch erneuerbare Energien ersetzt werden
Aus Berlin Richard Rother
Die Lausitz ist ein zerschundener Landstrich: In riesigen Tagebauen wird Braunkohle abgebaggert, um zur Stromerzeugung verbrannt zu werden. Das ist klimaschädlich, hinterlässt Mondlandschaften, belastet Luft und Gewässer – aber es schafft Arbeitsplätze in der Region. Wer die Kohlekraftwerke abschalten will, sollte also nicht nur Alternativen der Stromerzeugung parat haben, sondern auch Jobalternativen. Warum nicht durch einen konsequenten Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in den Bergbauregionen?
Dass es möglich ist, die Braunkohlejobs zu ersetzen – davon ist Bernd Hirschl, Energieforscher an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus/Senftenberg überzeugt. Im Auftrag von Greenpeace Energy hat er mit dem Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung die Studie „Mehrwert einer regionalen Energiewende im Lausitzer und Rheinischen Revier“ erstellt, in der die Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzeffekte durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie in den Tagebaurevieren untersucht werden.
Ergebnis: Wenn ein Ausbau der erneuerbaren Energien „mit einer überdurchschnittlich hohen regionalen Ansässigkeit von Akteuren entlang der Wertschöpfungsketten Photovoltaik und Windenergie“ angenommen wird, lassen sich die wegfallenden Braunkohlejobs in den jeweiligen Bundesländern ersetzen – zumal die Energiekonzerne ohnehin Jobs durch Rationalisierung abbauen. „Es macht einen großen Unterschied, wie man den Ausbau der Erneuerbaren angeht“, sagte Hirschl am Dienstag in Berlin.
Werde der Ausbau durch regional verwurzelte Akteure und im Bürgerenergie-Rahmen vorangetrieben, entstünden durch den Ausbau von Windenergie und Solarkraftwerken besonders viele Arbeitsplätze vor Ort, so Hirschl. Dadurch liege auch die regionale Wertschöpfung höher, etwa durch Steuereinnahmen. Und Dienstleister und Zulieferer, die noch von der Braunkohle lebten, würden sich umorientieren. Wenn in der Region viele kleine und mittlere Unternehmen im Energiesektor aktiv seien, werde sie zudem ökonomisch weniger anfällig, als wenn sie von einem großen Unternehmen abhänge.
Darauf setzt auch Greenpeace Energy. „Deutschland muss bis spätestens 2030 vollständig aus der Braunkohleverstromung aussteigen, sonst sind unsere Klimaziele nicht zu erreichen“, sagte Firmenvorstand Nils Müller. Um den fälligen Strukturwandel in den Tagebauregionen anzuschieben, bietet der Energieversorger nun einen besonderen Tarif an: Solarstrom plus. Im Strompreis von 28,30 Cent pro Kilowattstunde ist jeweils 1 Cent als Förderbeitrag enthalten, zum Beispiel für den Bau neuer Photovoltaikanlagen in den Tagebaurevieren.
Von dort sollen die Kunden dann auch einen Teil ihres Stroms beziehen. Die Menschen in diesen Regionen bräuchten eine Perspektive für die Zeit nach der Braunkohle, so Müller. „Sonst wird der Strukturwandel nicht gelingen.“
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