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„Pferdeallergien können verschwinden“

Allergien Pferdeliebhaber mit Fellallergie mussten bisher ihr geliebtes Hobby Reiten aufgeben. Nun gibt es Hoffnung. Auf einem Hof im Norden Schleswig-Holsteins werden medizinische Untersuchungen durchgeführt und Therapien mit hypoallergenen Pferden für betroffene Patienten angeboten

Lockig: Das besondere Fell der Curly Horses löst bei Pferdehaarallergikern keine Reaktionen aus Foto: privat

Interview Tobias Brück

taz: Herr Mitlehner, was sind hypoallergene Pferde?

Wolfgang Mitlehner: Der Begriff ist nicht genau definiert. Wir benutzen ihn, wenn wir feststellen, dass es Pferderassen gibt, auf die allergische Reiter nicht so stark reagieren wie auf andere Pferde.

Was bieten Sie auf ihrer Farm an?

Wir bieten medizinische Untersuchungen von pferdeallergischen Patienten an. Das sind in der Regel Patienten mit einem allergischen Schnupfen oder Asthma, bei denen wir dann die Lungen- und Nasenfunktion untersuchen, die Medikation überprüfen, die Vorgeschichte erfragen und Allergietests auf normale Pferde und unsere Pferde machen. Dann lassen wir die allergischen Patienten unter Kontrolle der Lungen- und Nasenfunktion auf Curly Horses reiten.

Was ist die Besonderheit der Curly Horses im Vergleich zu anderen Pferden?

Deren Besonderheit besteht darin, dass pferdeallergische Menschen auf ihnen reiten können.

Sie führen Tests mit Pferdehaarallergikern durch und werten Daten aus. Was haben Sie dabei herausgefunden?

Bei den Hauttests haben wir herausgefunden, dass die Patienten im Durchschnitt auf Curly Horses weniger stark reagieren als auf normale Pferde.

Können Curly Horses Allergiker heilen?

Zu dieser Frage machen wir seit 2014 eine Studie mit 20 Patienten, die allergisch auf Pferde reagieren. Wir führen nasale Provokationstests durch. Das heißt, wir sprühen den Probanden ein Pferdeallergen in die Nase und messen, ob die Nasenschleimhaut anschwillt. Wenn das der Fall ist, reiten diese Leute mindestens im Abstand von vier Wochen auf einem Curly Horse. Bei acht von 20 Reitern haben wir festgestellt, dass die Pferdeallergie nach 40 bis 60 Reitstunden verschwindet.

Was ist das Ergebnis dieser Therapie?

Der nasale Provokationstest auf Pferde wird negativ. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Immuntoleranzinduktion. Diese funktioniert in etwa so wie eine Therapie bei einer Erdnussallergie. Mit steigenden Dosen kann erreicht werden, dass jemand nicht mehr auf Erdnüsse reagiert. Wenn man bei der höchsten Dosis angekommen ist, muss der Patient jeden Tag eine bestimmte Erdnussmenge essen, um diese Toleranz aufrecht zu erhalten. Uns fehlen jedoch Langzeitbeobachtungen in Bezug auf die Pferdehaarallergie.

Was sind die Ursachen einer Pferdeallergie?

Es gibt unterschiedliche Typen: Es gibt Menschen, die haben eine Neigung, Allergien zu entwickeln. Das kann genetisch bedingt sein. Warum eine Allergie entsteht oder warum sie sich gegen bestimmte Stoffe wendet, weiß man nicht.

Treten verschiedene Allergieformen häufig in Kombination auf?

Viele Allergien sind Kreuzallergien. Zum Beispiel sind viele Katzenallergiker auch gegen Pferde allergisch.

Sind Allergien Zivilisationskrankheiten?

Wir wissen aus epidemiologischen Studien, dass es Länder in Afrika gibt, wo es kein allergisches Asthma gibt. Wir wissen auch, dass in der DDR bis zur Wende die Zahl der Allergiker geringer war, als sie heute ist. Daraus hat man geschlossen, dass Allergien etwas mit unserem westlichen Lebensstil zu tun haben könnten.

Welche Alltagsprobleme bringt eine Pferdeallergie für die Betroffenen mit sich?

Das kann ganz unterschiedlich sein. Der eine ist pferdeallergisch und entwickelt ein Asthma, weil sich in seiner neuen Matratze Pferdehaare befinden. Ein anderer ist pferdeallergisch und bekommt beim Vorbeigehen an einem Pferdestall einen Asthmaanfall. Man weiß, dass Leute, die viel Pferdekontakt haben, auch häufiger Allergien gegen Pferde entwickeln. Diese können durch das Reithobby oder auch den Beruf bedingt sein. Es gibt Tierärzte, Laborarbeiter oder Landwirte, die pferdeallergisch werden.

Welche Symptome zeigen die Allergiker im Kontakt mit Pferden?

Eine Reaktionsmöglichkeit ist die der Haut. Allergiker können eine Nesselsucht bekommen, wenn sie in Kontakt mit Pferdespeichel treten. In anderen Fällen kommt es zum Tränen der Augen, Laufen der Nase und juckendem Gaumen, bis hin zu einem Asthmaanfall mit schwerer Atemnot oder einem allergischen Schock.

Wie gefährlich kann eine solche allergische Reaktion sein?

Im Fall eines allergischen Schocks kann diese Allergie auch zum Tod führen. Das kommt aber nicht sehr häufig vor.

Wie viele Menschen in Deutschland leiden an einer Pferdehaarallergie?

Es ist davon auszugehen, dass etwa fünf Prozent der 16 Millionen Allergiker in Deutschland an einer Pferdeallergie leiden.

Foto: privat
Wolfgang Mitlehner

68, ist Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologe. 2011 zog er auf den ihm gehörenden Hof in Klappholz bei Flensburg und eröffnete dort eine Reitfarm für Pferdeallergiker samt zugehöriger Praxis.

Ist die Therapie mit Curly Horses in Deutschland verbreitet?

Nein. Es gab dazu bisher nur zwei Studien. Seit 2009 beschäftige ich mich wissenschaftlich mit diesen Pferden.

Wie viel kostet eine Therapie auf ihrem Hof?

Eine Reitstunde, bei der immer ein Arzt anwesend ist und die Nasen- und Lungenfunktion gemessen wird, kostet 25 Euro. Es werden etwa 40 bis 60 Stunden in einem Abstand von jeweils vier bis sechs Wochen benötigt.

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Wir haben uns gefragt, welches allergologische Thema wir auf unserem Hof behandeln können. Dann ist es ganz logisch, sich zu fragen, ob es wirklich hypoallergene Tiere gibt oder nicht. Wir haben in Berlin angefangen, mit pferdeallergischen Patienten Hauttests mit Curly Horses zu machen. Und wir fanden heraus, dass die Allergietests tatsächlich weniger ausfallen. Daraufhin haben wir dieses Versuchsmodell aufgebaut und testen jetzt klinisch, ob die allergischen Patienten tatsächlich gefahrlos mit Curly Horses umgehen können.

Gibt es auch konventionelle Möglichkeiten einer Therapie der Pferdeallergie?

Ja. Es gibt die Möglichkeit mittels Spritze eine Pferdeallergie zu behandeln, also eine Desensibilisierung durchzuführen. Das wird aber sehr selten gemacht.

Wer ist die Zielgruppe der Therapie?

Alle Menschen, die wegen schwerer allergischer Symptome das Reiten aufgeben mussten. Unsere Altersgruppe reicht von sieben bis 50 Jahre.

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