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Richtig in die Gänge kommen

E-Bikes Sie versprechen Fahrradfahren light, sind aber oft schwerer als ein Velo ohne Motor. Zum Einstieg kann ein Trainingskurs auf den flotten Rädern nicht schaden

Die elektrische Unterstützung hört nicht immer bei Tempo 25 auf Foto: Robert Niedring/Westend61/dpa/picture alliance

Von Helmut Dachale

Hannover-Linden, Standort eines dieser riesigen Zweirad-Center, residierend in einer ehemaligen U-Boot-Halle. Platz genug für Fahrräder aller Arten und auch für eine spezielle E-Bike-Abteilung. „Donnerwetter“, staunt ein älterer Mann. Jahrelang habe er nicht mehr auf dem Sattel gehockt, keine Zeit und, na ja, keine Lust gehabt. Jetzt möchte er es wieder probieren, auf einem Rad, bei dem es so richtig leicht und rund läuft. Bitte mit Motor.

Kaum eine Werbung für motorgestützte Fahrräder, die nicht die Leichtigkeit des Fahrens verheißt. Permanenter Rückenwind! Gemeint ist ein akkugespeister Elektromotor, und in dem steckt immerhin – wie bei den meisten der angebotenen Modelle – eine Leistung von 250 Watt. „Aber bei 25 Stundenkilometern ist Schluss, dann wird abgeregelt“, erklärt der Verkäufer im Zweirad-Center. Der Motor arbeitet also nur, wenn der Fahrer pedaliert – und wenn er partout schneller sein will als Tempo 25, muss er halt auf den kleinen Helfer verzichten und schneller treten. Viele dieser E-Bikes – genauer: Pedelecs (Pedal Electric Cycles) – verfügen allerdings auch über eine Anfahrhilfe, die es per Tastendruck erlaubt, ganz ohne Tretarbeit bis zu einer Minigeschwindigkeit von sechs Stundenkilometern Fahrt aufzunehmen.

Verständlich, dass derartige E-Bikes von Anfang an beliebt waren bei älteren Menschen, die ein sanftes velophiles Comeback genießen möchten – oder einfach nur ihre alltägliche Mobilität verbessern wollen. Mit dem Rad zum Einkaufen oder mal ins Grüne. Andererseits hätten solche Fahrräder längst „ihr Image als Oma-Fahrrad abgelegt“, will man bei der Deutschen Verkehrswacht festgestellt haben. Mittlerweile seien sie auch bei Jüngeren angesagt. Silver Ager als Trendsetter.

Und der Trend setzt sich fort, weiß der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Nach seiner Zählung sind 2016 in Deutschland 605.000 Stück verkauft worden – das waren 15 Prozent aller verkauften Fahrräder und 13 Prozent mehr als im Vorjahr. In welchem Ausmaß der Boom der älteren Zielgruppe zu verdanken ist, hat die Statistik nicht erfasst. Aber David Eisenberger, ZIV-Pressesprecher, glaubt zu wissen, was sich aktive Ältere vom Kauf eines E-Bike versprechen: eben mobil und fit bleiben oder es wieder werden. Allerdings rät er: Wer sich nach langer Abstinenz ein Fahrrad mit Motor zulegen möchte, sollte zum „normalen Pedelec“ greifen.

Die Elektrifizierung ist in den letzten Jahren rasant fortgeschritten, hat nahezu alle Modellgruppen erfasst, nicht nur die verbreiteten City- und Trekkingbikes. Auch an dreirädrigen Reha-Liegerädern und Lastenrädern ist der Hilfsmotor nicht mehr ungewöhnlich, sogar an Mountainbikes und Rennrädern ist er zu finden. Und dann gibt es noch die S-Klasse: Hochgeschwindigkeits-Pedelecs, bei denen der Motor deutlich mehr Watt hat und sich erst bei 45 Stundenkilometern abschaltet. Viel zu gefährlich für Menschen, die in ihrem langen Leben so manches gefahren haben, aber selten ein Rad?

Das richtige Pedelec? Auf die körperliche und mentale Fitness kommt es an

„Da ist gutes Reagieren natürlich besonders wichtig“, so Hannelore Herlan, Stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Verkehrswacht. „Und man sollte auch nicht vergessen, dass S-Pedelecs rechtlich gesehen Kleinkrafträder sind und deshalb nur auf der Fahrbahn gefahren werden dürfen.“ Welches Pedelec infrage kommt, hänge davon ab „wie es um die körperliche und mentale Fitness bestellt ist“.

Wichtig sei in jedem Falle, auf die Verkehrssicherheit entsprechend der StVZO zu achten, auf die Reichweite des Akkus und darauf, dass man das Rad – Akku und Motor erhöhen das Gesamtgewicht! – noch hochheben kann. Und wer mit einem Kauf liebäuglt, solle sich nicht nur mehrere Modelle ansehen, sondern auch ausprobieren. Hannelore Herlan: „So lässt sich erfahren, dass so ein Rad viel schneller loslegen kann als ein herkömmliches.“

Ist allein deshalb das Risiko für ältere Pedelec-Benutzer höher? Das Statistische Bundesamt, das im letzten Jahr die „Unfallentwicklung auf deutschen Straßen 2015“ herausgegeben hat, meint, daraus könne zumindest nicht „geschlossen werden, dass ältere Nutzer von Pedelecs überfordert sind“. Wie auch immer: Wer lange nicht Rad gefahren ist und dann auf die motorisierte Variante umsteigen will, sollte vor einem Übergangstraining nicht zurückschrecken, rät die Frau von der Verkehrswacht. „Viele unserer Ortsverbände bieten das an.“ So ließe sich das Auf- und Absteigen und überhaupt üben, „wie mit dem zusätzlichen Antrieb umzugehen ist“. Ja, dass es so was gibt, davon hat der Kaufinteressierte im Zweirad-Center Hannover-Linden schon gehört. „Auch das noch“, sagt er.

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