: Mehr als nur der Bundestrend
Kommentar
von Stefan Alberti
Die Grünen sacken in einer neuen Umfrage ab
Übliches Tief für eine neue Regierungspartei. Der Bundeseffekt mit dem SPD-Boom nach der Nominierung von Martin Schulz. Das wären so die üblichen Erklärungsversuche dafür, dass die Grünen nun auch in Berlin abgerutscht sind auf 12 Prozent, ihren schlechtesten Wert seit elf Jahren. Nicht etwa, was die Stimme bei der Bundestagswahl am 24. September angeht – nein, nur noch diese 12 Prozent würden die Grünen wählen, wenn Sonntag schon wieder Abgeordnetenhauswahl wäre. Da reicht der SPD-Boom als Erklärung nicht aus.
Der Schulz-Effekt? Verluste in der jetzigen Größenordnung über Wechselwähler wären denkbar, wenn die Grünen noch in Regionen von 20 Prozent und mehr gelegen hätten wie Mitte 2016. Aber vom bereits mageren Wahlergebnis von 15 Prozent im Herbst noch mal drei Prozentpunkte einzubüßen, das geht an die Kernwählerschaft.
Abstrafen einer Regierungspartei? Die Grünen haben tatsächlich thematisch für mehr Diskussionen gesorgt als ihre beiden Koalitionspartner: Kampfansagen gegen den Autoverkehr, Unisex-Toiletten als eine der ersten Amtshandlungen im Justizressort. Das mag CDUler verärgern, aber warum sollten bisherige Grünen-Wähler das nicht honorieren?
Mögliche Antworten: Entweder gibt es weit mehr Autofreunde unter Grünen-Wählern als gedacht. Oder die lauten Ansagen von Verkehrsstaatssekretär Kirchner werden als bloße Ankündigungen abgetan. An Letzterem hätte seine Chefin, Senatorin Günther, ihren Anteil: Die ruderte jüngst zurück, nachdem Kirchner zu niedrige Parkgebühren kritisierte.
Erschrecken muss die Grünen, dass derzeit ein Mann beliebtester Politiker ist, von dem aus den ersten R2G-Monaten am meisten in Erinnerung geblieben ist, dass er den Kopffüßler von der Volksbühne nach seinem Abbau ins Stadtmuseum stecken will: Kultursenator Klaus Lederer von der Linken, die sich anders als die Grünen seit der Wahl verbessert haben. Erfolg auf die leise Tour statt lauter Töne? Das scheint tatsächlich gerade angesagt zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen