: Canberra will Arbeitsvisa restriktiver vergeben
Australien Für Einwanderungswillige soll das Leben am Ende der Welt schwieriger werden
Rund 200.000 Einwanderer hat Australien letztes Jahr ins Land gelassen. Um die Akzeptanz des Immigrationssystems im Land zu stärken, will die konservative Regierung die Zuwanderungsbedingungen verschärfen. Das seit 1996 bestehende System werde abgeschafft und durch ein neues ersetzt, erklärte die Regierung. Dieses würde „rigoros“ die nationalen Interessen berücksichtigen. „Australier und australische Jobs zuerst“, so Premierminister Malcolm Turnbull in einer Rede, die stark an die Rhetorik von US-Präsident Donald Trump erinnerte. Ausländern mit Daueraufenthaltsrecht soll es erschwert werden, Australier zu werden.
Das bisherige Visum 457 erlaubt Betrieben, Ausländer einzustellen, wenn einheimische Arbeiter fehlen. Dabei gab es laut Gewerkschaften immer Missbräuche. Verschiedene Branchen hätten Ausländer zu schlechteren Bedingungen und niedrigeren Gehältern als Einheimische eingestellt. Beim Rohstoffboom bewährte sich das System aber: Als die Nachfrage nach australischem Eisenerz und Kohle sehr hoch war, konnte die Industrie ihren Arbeitskräftebedarf nur mit Hilfe tausender Ausländer decken.
Nun soll das bisherige vierjährige Visum durch ein zweistufiges System ersetzt werden: Einige Berufe sollen weiter in den Genuss eines vierjährigen Visums kommen, andere Berufstätige dürfen nur für zwei Jahre ins Land. Und Arbeitserfahrung und Sprachkenntnisse sollen eine größere Rolle spielen als bisher. Weiter wird es eine ständig aktualisierte Liste gesuchter Berufe geben.
Die Industrie- und Handelskammer sieht in den angekündigten Maßnahmen eine Stärkung des Vertrauens in das Einwanderungssystem. Das Restaurant-, Hotel- und Fleischgewerbe ist dagegen besorgt, nicht mehr genügend Arbeitskräfte finden zu können. Viele Einheimische seien nicht gewillt, die oft harten und schlecht bezahlten Jobs in diesen Branchen zu übernehmen. Technologiefirmen fürchten um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie nicht „die Besten und Gescheitesten anheuern“ können. Ende 2016 gab es in Australien gut 95.000 Halter eines 457-Visums, ein Viertel davon Inder, von denen viele im Tech-Sektor arbeiten.
Auch wer bleiben will muss schärfere Bedingungen erfüllen. Statt wie bisher ein Jahr müssen Einwanderungswillige künftig vier Jahre warten, bis sie den australischen Pass beantragen dürfen. Dann müssen sie einen Test bestehen, in dem laut Turnbull geprüft wird, ob sie „australische Werte“ teilen. An dem Fragenkatalog werde gearbeitet. Vor allem Medien berichten von Vorschlägen wie „Wann darf ein Mann seine Frau verprügeln?“ und „Was halten sie von weiblicher Genitalverstümmelung?“. Kritiker sehen darin ein Mittel, um Muslime auszuschließen.
Turnbull musste sich am Donnerstag den Vorwurf anhören, mit der Verschärfung Zugeständnisse an den rechten Flügel seiner Koalition und die stärker werdende rassistische Partei One Nation zu machen. Die fordert einen Stopp der Zuwanderung von Muslimen.
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