: Fehler über Fehler
DRAUSSENFUSSBALL Der Karlsruher SC steigt aus der zweiten Liga ab. VereinspräsidentIngo Wellenreuther rechnet mit seinem ehemaligen Sportdirektor Jens Todt ab
aus Karlsruhe Tobias Schächter
Marc-Patrick Meister ist lizenzierter Fußballlehrer und zudem Absolvent der Escuela Universitaria des spanischen Spitzenklubs Real Madrid. Nach Stationen in der Nachwuchsarbeit des Hamburger SV, von Borussia Dortmund und dem Karlsruher SC ist der 37 Jahre junge Mann seit vier Wochen Cheftrainer beim KSC. Eigentlich könnte man also von einer steilen Karriere sprechen. Am Samstag aber erklärte Meister, er fühle einen „sehr großen, sehr tiefen und brutalen Schmerz. Es drückt mich gerade zu Boden.“ Nach der 1:3-Heimpleite gegen den alten Rivalen 1. FC Kaiserslautern war der Abstieg des KSC in Liga 3 am Wochenende endgültig besiegelt, Meister hatte auch sein viertes Spiel als Cheftrainer im Profifußball verloren. Der Kahlkopf aus dem nahen Bruchsal konnte in Karlsruhe eine von Anfang an verkorkste Runde nicht mehr retten.
Zwei Sportdirektoren werkelten ungenügend am Kader herum und vier Trainer konnten der Elf keine positiven Impulse geben. Im Lauf der katastrophalen Rückrunde verlor der Klub auch seine Fans. Am Samstag blieben die organisierten KSC-Fans 90 Minuten lang stumm, ohnehin waren zum Derby gegen den ungeliebten Nachbarn aus der Pfalz nur 18.000 Zuschauer gekommen. Zieht man 5.000 FCK-Fans ab, wird die ganze Trostlosigkeit deutlich, die um den Klub derzeit herrscht. Der KSC steigt ab und erntet nur ein stummes und abgewandtes Achselzucken. In der Kritik der Fans steht neben der Mannschaft aber Präsident Ingo Wellenreuther, 57. Doch der CDU-Bundestagsabgeordnete sucht die Schuld für den Niedergang nicht bei sich.
In einem Interview mit den Badischen Neuesten Nachrichten machte Wellenreuther jüngst dem ehemaligen Sportdirektor Jens Todt große Vorwürfe. Der frühere Nationalspieler hatte im November den Verein verlassen. Von Todt hätte man sich nach der verlorenen Relegation um den Bundesligaaufstieg 2015 gegen den HSV trennen müssen, ätzte Wellenreuther. In Tomas Oral habe Todt vor dieser Saison den falschen Trainer geholt. Im Laufe der vergangenen Runde hatten sich der KSC und Trainer Markus Kauczinski nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen können, die in Karlsruhe seltene Kontinuität auf dem Trainerposten war dahin. Mit Kauczinski war nach dem letzten Drittligaabstieg 2012 der sofortige Wiederaufstieg geglückt.
Auch die nur 91 Tage mit dem Trainer Mirko Slomka, den Todts Nachfolger Oliver Kreuzer im Dezember nach Interimscoach Lukas Kwasniok verpflichtete, seien ein Fehler gewesen, so Wellenreuther. Tatsächlich wirkte der prominente Slomka wie ein Fremder in Karlsruhe und holte nur acht von 30 möglichen Punkten. Wellenreuther gewann durch das Interview keine Sympathiepunkte bei den Fans. Aber Vizepräsident Günter Pilarsky stärkte den alten Weggefährten. Er werde nur dann dem KSC im Vorstand und als Geldgeber erhalten bleiben, wenn Wellenreuther Präsident bleibe, so der 79-jährige Pilarsky. Der steinreiche Unternehmer half dem KSC in der Vergangenheit in Notlagen immer wieder finanziell. Angesichts der aktuellen Stimmungslage ist schwer vorstellbar, wie aus den Trümmern dieser Saison wieder Begeisterung für den KSC entstehen soll. Der Auftrag an Trainer Meister aber ist klar: sofortiger Wiederaufstieg. Dem Selbstverständnis nach sieht sich der KSC noch immer als potenzieller Erstligist, doch die goldenen Europacup-Zeiten mit Trainer Winnie Schäfer liegen über zwei Jahrzehnte zurück. Und mit dem Abstieg nun wird der Klub noch weiter abgehängt.
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