LESERINNENBRIEFE

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Habeck im Watt

betr.: „Keiner braucht Jamaika“, taz vom 5. 4. 17

Liebe taz, es ist schön, wenn jemand jemanden mag. Noch schöner ist es, wenn er es auch sagt, das freut denjenigen, der gemocht wird, besonders. Weniger schön ist es, wenn Wahlkampf ist und sich die Lobhudeleien auf einen Politiker beziehen, da im Fall des Grünen-Politikers Robert Habeck die Sachlichkeit auf der Strecke bleibt.

Ich lebe in Schleswig-Holstein, war mal überzeugte Grünen-Wählerin und bin es definitiv nicht mehr, wozu Herr Habeck und sein „Männerfreund“ Herr Albig nicht unwesentlich dazu beigetragen haben. Ich würde Ihrem Autor Sven-Michael Veit empfehlen, Herrn Habeck mit den Augen eines Journalisten zu sehen und nicht als glühender Fan: Herr Habeck hatte hier einen Job, für den er gut bezahlt wird. Als studierter Philosoph eine tolle Möglichkeit. Herr Habeck wollte aber nach Berlin. Andere Menschen müssen sich für diesen Zeitaufwand des Anbiederns und der Eigenwerbung von ihrem Job beurlauben lassen. Herr Habeck musste das nicht, dafür hat er uns Schleswig-HolsteinerInnen versprochen: Wenn die mich da nicht wollen, ziehe ich mich zurück, dann schreibe ich wieder Bücher.

Da Herr Habeck hier sowieso nicht allzu viel bewegt, konnte das für unser Land nur von Vorteil sein, denn in Berlin wäre er auf dem Laufsteg der Eitelkeiten gut aufgehoben. Leider wollten die ihn auch nicht, was bedeuten müsste, dass er sich aus dem Politikrummel zurückzieht, aber jetzt ist nicht mehr die Rede davon. Sogar Daniel Günther von der CDU und Wolfgang Kubicki von der FDP finden ihn total nett, also soll er doch bitte bleiben und weiter nichts machen, nur nett aussehen.

Herr Veit hat auch immer schöne Fotos, vor allem um Weihnachten herum, als die Lobeshymnen großformatig in der taz zu lesen waren: Habeck mit hochgekrempelten Hosen im Watt. Herr Habeck mag ja ein großartiger Schauspieler sein, der jetzt die Rolle „Politiker“ spielt, aber er ist nur ein Schauspieler.

Er mimt „Interesse“, „Engagement“, „Zugewandtheit“, in Kompetenz ist er nicht so gut, Fachwissen ist auch nicht sein Ding, aber als Schauspieler muss er auch nicht fachwissend sein. Blöderweise reicht ein Schauspieler für den Job nicht aus, immerhin merken wir betroffenen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das. Herrn Veit rate ich, bevor hier die Wahlen sind, den Habeck-Starschnitt von der Wand zu nehmen und Augen und Ohren aufzumachen, um zu sehen, was sein Idol eigentlich wirklich macht und gemacht hat. KATRIN JOHANSEN, Schleswig-Holstein

Die Nähe zu den Grünen

betr.: „Nur ein beiläufiger Seitenhieb?“, taz vom 8./9. 4. 17

Liebe Frau Gaus, vehement treten Sie Ihrem Kollegen Albrecht von Lucke entgegen, der die taz in einem Artikel als ,,Zentralorgan‘‘ der Grünen bezeichnet. Und Sie tun dies mit Recht: ,,Zentralorgan‘‘ ist der Gegenbegriff zu Demokratie, Pressefreiheit und (medialem) Pluralismus, da er auf einen Zustand des Gemeinmachens von Journalismus und Macht verweist, der für jede Diktatur der Spätmoderne kennzeichnend ist. Die taz könnte davon nicht weiter entfernt sein.

Doch abgesehen von der missratenen Wortwahl lässt sich nicht abstreiten, dass von Lucke einen wunden Punkt der taz trifft: die Nähe zur Partei die Grünen, die weit über bloßes ,,Interesse‘‘ und ,,Kenntnis‘‘ aufgrund einer gemeinsamen Geschichte hinausgeht, wie Sie gegen von Lucke ins Feld führen. So schreibt etwa Peter Unfried in der taz an selber Stelle am 1./2. 4.: ,,In der grünen sozialökologischen Politik und auch in ihren liberalen Lebensstilen steckt […] potentiell Zukunftsgesellschaft und wohl mehr, als was die dauernostalgische SPD sich […] zusammenreimt.‘‘ Die Grünen als einzige Rettung der Zivilisation? Wirklich?? Ja, ein Kommentar ist eine andere Textsorte als ein normaler, vermeintlich objektiver Artikel und erlaubt ein höheres Maß an Subjektivität. Aber mal ehrlich, wenn der ,,Chefreporter‘‘ einer Zeitung eine solche Lobhudelei anstimmt, die vollkommen unkritisch, von jeder politischen Praxis losgelöst, die programmatischen Selbstaussagen einer bestimmten Partei für bare Münze nimmt und indirekt eine Wahlempfehlung gegenüber einer namentlich genannten anderen Partei ausspricht, kann sich diese Zeitung dann wundern, dass jemand wie von Lucke die Schlüsse zieht, die er zieht? JAN GRÖNHOFF, Berlin

Was für Leutchen!

betr.: „Boykottiert die Bundesliga!“, taz vom 5. 4. 17

Endlich wird einmal dargestellt, was für Leutchen sich da so in Fifa, IOC usw. tummeln. Könnten Sie nicht mal an die Vertragstexte kommen, die diese Organisationen mit den Ländern „aushandeln“, die dann den Zuschlag für die „Spiele“ erhalten? Dass die veranstaltenden Länder ihre eigenen Produkte in einem bestimmten Umkreis und vor allem nicht in den Stadien an die Zuschauer verkaufen dürfen, weil ausländische Brauereien von IOC oder Fifa für die Spieledauer ein Monopol verliehen bekommen haben. Oft sind die inländischen Firmen nicht in der Lage, massiv genug zu bestechen, als dass sie eine Chance hätten. Die Regierungsvertreter sind aber gleichermaßen vorauseilend gehorsam, um überhaupt den Zuschlag für solch ein Spiel zu bekommen.

Im Falle einer Verzögerung der Fertigstellung der diversen vertraglich zugesicherten (meist anschließend nutzlos herumstehenden) Bauten verpflichtet sich die Regierung, notfalls auch die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitnehmerrechte außer Kraft zu setzen, soweit ich weiß. Allein dieser Punkt müsste demokratisch geführte Regierungen dazu bringen, auf vom IOC oder der Fifa ausgelobte Spiele nicht in ihrem Land anzusetzen. Ich werde mir auch kein Spiel ansehen! JOHANNES HASCHKE, Bochum