Nachhaltiger Nachklang

Instrumentenbau Lassen sich kostbare Tropenhölzer durch heimische Hölzer ersetzen, ohne dass der Klang leidet? Ja, sagen ein Holzforscher und ein Gitarrenhersteller. Und das schützt nicht nur den Regenwald, sondern auch die Musiker

Violinen zu Gitarren! Hier wird noch auf Altholz gespielt Foto: J. Kalaene/dpa

BERLIN taz | Diese Instrumente zählten zweifellos zu den größeren Neuheiten der internationalen Musikmesse, die am Wochenende in Frankfurt zu Ende ging: Erstmals waren dort Gitarren zu sehen und zu hören, die ganz ohne Tropenholz auskommen. Dabei soll ihr Klang dem der Gitarren aus hartem Edelholz nicht nachstehen.

Zu verdanken ist die Verwandlung schnöder deutscher Bretter in edles Klangholz vor allem Alexander Pfriem von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

„Thermoholz“ nennt sich das Material, das der Professor gemeinsam mit dem Tübinger Instrumentenhersteller Reinhardt Best Acoustics in jahrelangen Forschungen entwickelt hat.

Die nachhaltigen Gitarren belegen den Erfolg der Herstellungsmethode, den Pfriem für sein „Thermoholz“ erfunden hat: „Mit einer Art Backprozess können wir die Eigenschaften heimischer Holzarten so veredeln, dass ihr Klangverhalten dem von Tropenhölzern sehr ähnlich wird“, sagt Pfriem. Dabei bricht das Thermoholzverfahren in einer chemisch neutralen Atmosphäre bei 150 Grad Hitze die Struktur der Zellwände auf und verhärtet diese.

Im Ergebnis verbessern sich die schallverstärkenden Eigenschaften eines Holzstücks dauer­haft. Der Klang einer Gitarre entsteht vor allem im Gitarrenkörper. Je härter das Holz, desto besser reflektiert es den Schall. In der Regel werden für den Boden und die Zargen daher häufig hartes tropisches Palisander- oder Mahagoniholz verwendet.

Pfriem hat seine Methode im Lauf von zehn Jahren so perfektioniert, dass er weiß, auf welche Weise heimische Holzarten „gebacken“ werden müssen, damit sie die jeweils gewünschten Eigenschaften annehmen. Mehr als 30 Arten hat der Forscher bislang physikalisch und chemisch analysiert. Die Erle und die Esche eignen sich demnach besonders gut für die akustische Klangveredelung. Gitarrenbaumeister Andreas Dill vom Bodensee hat bereits erste Instrumente aus Thermoholz gebaut. „Die Gitarren klingen klar und haben einen kräftigen, schönen Ton“, sagt Dill. Ganz im Gegensatz zu früheren Versuchen, kein Tropenholz zu verwenden, die „relativ dumpf waren und viel leiser als Tropenholzgitarren“ klangen.

Zurzeit sei das Verfahren allerdings noch für den Gitarrenbau optimiert, betont Pfriem: „Für andere Instrumente wie Geige oder Cello muss das Thermoholz-Rezept noch angepasst werden“. Dafür sei jedoch noch weiterer Forschungsaufwand nötig.

Pfriems Partnerunternehmen Best Acoustics aus Tübingen will die ersten in Serienproduktion komplett aus Thermoholz gefertigten Gitarren ab Herbst in den Handel bringen. Je nach Modell sollen die Instrumente zwischen 400 und 1.000 Euro kosten.

Best Acoustics Gründer Gunther Reinhardt beschäftigt schon seit über zwanzig Jahren die Frage, wie sich heimische Holzsorten besser für den Gitarrenbau nutzen lassen. „Es geht mir darum, mit Tropenholz sorgsam umzugehen“, sagt Reinhardt.

Tropenhölzer im Instrumentenbau gänzlich zu verbieten sei für ihn jedoch keine Lösung. „Indisches Palisander wird nachhaltig angebaut. Wenn es nicht mehr exportiert werden darf, endet es dort als Holzkohle“, befürchtet der ehemalige Gitarrenlehrer. Die Gitarre ist noch vor Flöte und Klavier das beliebteste Musikinstrument der Deutschen. Reinhards Unternehmen, Best Acoustics, zählt mit jährlich etwa 20.000 in ganz Europa verkauften Gitarren zu den größten Gitarrenhändlern und -herstellern des Landes. Schätzungsweise 100.000 Gitarren gehen in Deutschland jährlich über den Ladentisch. Saiteninstrumente machen etwa 150 Millionen Euro (19 Prozent) der 800 Millionen Euro aus, die der deutsche Musikfachhandel 2016 umsetzte.

Für Musiker kann die Erfindung der Thermoholz-Gitarre aber auch eine ganz praktische Schutz vor Strafe sein. Denn seit Anfang des Jahres ist der Verkauf von geschützten Edelhölzern ohne Herkunftsnachweis gemäß des Washingtoner Artenschutzabkommens Cites weltweit verboten. Gebrauchte Instrumente zu verkaufen ist oft kaum möglich, da sich die legale Herkunft des dort verbauten Tropenholzes so gut wie nie belegen lässt. Wird es dennoch privat zum Verkauf angeboten, kann das Instrument im schlimmsten Fall von den Behörden beschlagnahmt werden.

Tarik Ahmia