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Gegen kopflose Herzen

DEBATTE Zwei Briten schlagen eine andere Flüchtlingspolitik vor

BERLIN taz | Gleich zwei Bücher über Flüchtlingspolitik sorgen für Debatten. Das eine, Robin Alexanders „Die Getriebenen“, steht seit Wochen in den Bestsellerlisten. Der Welt-Redakteur untersucht darin akribisch das Regierungshandeln im Herbst 2015. Seine Grundthese: Aus Angst vor negativen Reaktionen in der Öffentlichkeit unterließ Kanzlerin Angela Merkel im September 2015 das, was politisch geboten gewesen wäre: die frühzeitige Schließung der Grenzen. Was Alexander nicht beantwortet: Wie kann man Flüchtlingen helfen?

Hier schließt das Buch der britischen Migrations- und Flüchtlingsforscher Paul Collier und Alexander Betts an, das in dieser Woche erschienen ist („Gestrandet. Warum unsere Flüchtlingspolitik allen schadet – und was jetzt zu tun ist“, 24,99 Euro). Das in der Linken beliebte Konzept der offenen Grenzen weisen sie zurück. Moderate Mi­gra­tions­ra­ten seien für alle von Vorteil, starke Migrationsraten nicht, glauben Collier und Betts. Ihr Ansatz ist pragmatisch: Flüchtlingen muss geholfen werden. Nicht nur den glücklichen 10 Prozent, die es in die entwickelten Staaten schaffen, sondern allen. Und das gehe am besten durch Jobs in den Ländern, wo die meisten der weltweit 65 Millionen Flüchtlinge leben: in Staaten wie der Türkei oder Pakistan.

Die Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt gestaltet sich in der Tat schwieriger, als es zuversichtliche Vorhersagen 2015 erwarten ließen. Laut Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 2016 50 Prozent der Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenländern arbeitslos gemeldet. Die Beschäftigungsquote lag bei nur 16,9 Prozent. „Aufgrund rechtlicher und institutioneller Hürden, aber auch fehlender Sprachkenntnisse und geringer Anteile von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung werden sich die Flüchtlinge nur schrittweise in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren“, schreibt das IAB. Die Arbeitsmarktentwicklung anderer Migrantengruppen verlaufe dagegen „überwiegend günstig“.

Das Modell, die Flüchtlinge dort mit Jobs zu versorgen, wo sie schon leben, stößt aber auch an Grenzen, wie Alexander Betts gegenüber der taz einräumt. Beispiel: Libanon. Das kleine Land mit 4,5 Millionen Einwohnern hat über eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Um dort eine nachhaltige Flüchtlingspolitik betreiben zu können, müsste ein Teil der Syrer umgesiedelt werden, etwa nach Europa, sagt Betts.

Aber wer will sie dort nach der chaotischen deutschen Flüchtlingspolitik von 2015 jetzt noch aufnehmen? „Das kopflose Herz kann Folgen haben, die kaum besser sind als der herzlose Kopf“, heißt das Fazit von Collier und Betts. Martin Reeh

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