Ein Start mit Hindernissen

Abrechnung Nach den ersten 100 bis 130 Tagen Rot-Rot-Grün zeigt sich: Da ist noch viel Luft nach oben

Seit der Wahl von Michael Müller zum Regierenden Bürgermeister am 8. Dezember sind zwar schon 130 Tage vergangenen. Aber beim Umgang mit Zahlen ist Rot-Rot-Grün etwas speziell: Man nimmt lieber den Tag der ersten Senatsklausur am 9. Januar als Startpunkt. In den Wochen davor hatte die frische Koalition reichlich Zeit, darüber zu streiten, ob der neue Staatssekretär für Wohnen, der als Gentrifizierungskritiker bekannt gewordene Wissenschaftler Andrej Holm, wegen seiner Stasi-Vergangenheit gleich wieder entlassen werden muss. Er musste – nach einer ultimativen Drohung von Müller.

Aber es gab auch Erfolge: etwa die Verabredung mit den Wohnungsbaugesellschaften, die ihnen Grenzen bei der Mieterhöhung setzt; das Zeichen, dass sich etwas ändern soll in der von Autos dominierten Verkehrspolitik; zudem viel Geld für Neubau und Sanierung von Schulen.

Der elende Flughafen

Wie nicht anders zu erwarten, hat Rot-Rot-Grün mit dem BER zu kämpfen: Das beschränkte sich nicht auf weitere Bau-Peinlichkeiten und eine erneute Eröffnungsverschiebung. Man stritt auch darum, wer statt wem im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft sitzen sollte. Parallel dazu entwickelt sich große Unterstützung unter den Berlinern für ein Volksbegehren, das sich ausdrücklich gegen die auf den BER konzentrierte Flughafenpolitik des Senats richtet und die Koalition mit einem Volksentscheid am 24. September parallel zur Bundestagswahl konfrontiert.

Die oben noch wegen ihrer Ansätze gelobte Verkehrspolitik droht sich leider auf genau diese zu beschränken: Verkehrssenatorin Regine Günther, als Parteilose für die Grünen ins Amt gekommen, hat im Januar laut über halbstündige morgendliche Straßensperrungen vor Schulen nachgedacht, nachdem Verkehrshelfer fast von ignoranten Autofahrern überrollt wurden. Das klang mutig, aber irgendeine wirkliche Konsequenz ist nicht bekannt geworden. Günthers Staatssekretär echauffiert sich zu Recht über die lächerlich billigen Park­ausweise und -gebühren – und wird von seiner Chefin zurückgepfiffen.

Auch in Umfragen sieht es für Rot-Rot-Grün nicht rosig aus. Laut jener von Anfang April im Auftrag des Tagesspiegels sind nur 36 Prozent der Berliner mit der Arbeit der Koalition zufrieden, selbst bei den SPD-Wählern sind es nur 59 Prozent. Regierungschef Müller selbst würden, wenn sie ihn direkt wählen könnten, lediglich 14 Prozent im Amt bestätigen – seine Stellvertreter Klaus Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) bleiben mit 11 und 8 Prozent noch unter diesem wenig schmeichelhaften Wert. Stefan Alberti