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Ferienkapitalismus

Staat spielen In der Hamburger „Henry Town“ haben die Kinder das Sagen. Ein paar Tage lang dürfen sie die Gesetze machen, müssen dafür aber auch arbeiten

Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der Kinder das Sagen haben? Was nach düsterem Filmstoff klingt, können Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren in „Henry Town“ ganz praktisch erleben. Und düster ist es überhaupt nicht. Vom 25. bis 28. Mai lädt das Jugendrotkreuz Hamburg ein, eine kleine Stadt vollkommen selbstständig zu gestalten.

Seit 2002 wird Henry Town in unregelmäßigen Abständen veranstaltet. „Mittlerweile gibt es bundesweit einige andere Kinderstädte, aber nur wenige mit Übernachtung“, erzählt Claudia Kalina vom Jugendrotkreuz. Henry Town hat alles zu bieten, was eine richtige Stadt ausmacht: Es gibt eine Feuerwehr, ein Krankenhaus, Stadtwerke und viele verschiedene Geschäfte. Die Kinder müssen alles erledigen, was anfällt. Sie verwalten Behörden, betreiben Läden und gestalten die Politik mit eigenen Gesetzen. Sie können im Zirkus jonglieren lernen, in der Werkstatt Schmuck herstellen oder im Finanzamt Steuertabellen berechnen.

In Henry Town sollen die Kinder lernen, Verantwortung zu übernehmen. „Die freie Mitgestaltung der Stadt steht klar im Vordergrund“, sagt Kalina. Ganz ohne Erwachsene geht es jedoch nicht. Über 100 ehrenamtliche HelferInnen unterstützen die Kinder bei Bedarf. Wer etwa im Frisörsalon anderen Kindern die Haare schneiden möchte, kann sich ein wenig unter die Arme greifen lassen. „Alles Weitere bestimmen sie jedoch selbst“, betont Kalina. „Sie können die Geschäfte gestalten, wie sie wollen.“

Die TeilnehmerInnen kommen aus ganz unterschiedlichen Familien, es wird keine Vorauswahl getroffen – wer sich zuerst bewirbt, wird genommen. Dieses Jahr nehmen auch Geflüchtete teil. „Das ist auch ein gutes Beispiel für Integration“, findet Kalina. „So lernen diese Kinder spielerisch, wie die Gesellschaft funktioniert.“

Die Kinder haben die Stadt ganz für sich, Eltern dürfen nur zum Stadtfest am Abschlusstag zu Besuch kommen. Die BewohnerInnen müssen dann nicht arbeiten, sondern können ihren Eltern die Stadt zeigen. Und neben all dem Spaß lernen sie auch vieles über den Ernst des Lebens. „Die Kinder sehen, was es bedeutet, Miete zu bezahlen und vom verdienten Geld wieder etwas abzugeben“, so Kalina.

Jeden Tag werden die Aufgaben in Henry Town neu verteilt. Dabei gilt: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Damit nicht immer die Gleichen in der ersten Reihe stehen und die besten Jobs bekommen, sind die Kinder durch ein Farbsystem in Gruppen eingeteilt. Wenn der begehrte Beruf bereits vergeben ist, muss man sich etwas anderes suchen. Es gibt genug Jobs für alle TeilnehmerInnen. Wer nicht arbeiten möchte, kann sich arbeitslos melden, bekommt dann allerdings weniger Geld.

Am Anfang erhalten alle Berufe einen einheitlichen Stundenlohn. BürgermeisterIn und Senat können jedoch vieles verändern – Löhne erhöhen, Steuern senken, oder andersrum. Mit der Macht kommt allerdings auch die Verantwortung: Wenn die kleinen BürgerInnen mit ihrer Regierung nicht zufrieden sind, können sie ihrem Unmut Luft machen.

„Viele Kinder haben unterschiedliche Ansprüche“, erzählt Kalina. „Letztes Mal haben sie gegen das Sozialsystem demonstriert.“ Die Proteste seien jedoch nicht gerade produktiv verlaufen: Die Kinder hätten einfach „die Bürgermeisterin muss weg“ gerufen, ohne eine Alternative aufzeigen können. Die kleinen BewohnerInnen von Henry Town scheinen sich in manchen Punkten gar nicht so sehr von den Erwachsenen zu unterscheiden. Sebastian Krüger

Anmeldung bis zum 30. April unter: jrk@lvhamburg.drk.de

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