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Modern will gelernt sein

Interieur Die Ausstellung „Gern modern?“ im Museum der Dinge zeigt, wie groß nach dem Krieg der Glaube war, dass Demokratie und modernes Wohnen zusammengehören

von Uwe Rada

Ja, haben die denn nix gelernt? Als das Allensbach-Institut in den 1950er Jahren herausfand, dass sich die meisten Berlinerinnen und Berliner im Gelsenkirchener Barock ganz wohl fühlen, schlugen die Anhänger des modernes Wohnens Alarm. „Mit dem Sammelsurium von Plüsch und Plunder“, hieß es, solle Schluss sein.

Um die Geister der Vergangenheit auch in den Wohnstuben auszutreiben, gründete der Deutsche Werkbund 1958, ein Jahr nach Start der Internationalen Bauausstellung „Interbau“, in der Hardenbergstraße in Charlottenburg die erste Berliner Wohnungsberatungsstelle. Die Umerziehung konnte beginnen. In welche Richtung sie gehen sollte, zeigt das Museum der Dinge in Kreuzberg nun in der Ausstellung „Gern modern?“.

Das der persönliche Geschmack durchaus auch politisch sein konnte, zeigte sich schon 1952. Für die Ausstellung „Wir bauen ein besseres Leben“ gab es auch US-Gelder im Rahmen des Reeducation-Programms. Moderne und Demokratie gehörten damals zusammen, sagt Kuratorin Nicola von Albrecht.

Ganz so, wie es im Erziehungsfilm „Hören Sie auf Johanna“ gezeigt wird, in dem ein Ehepaar, das in einer Plüsch-und-Plunder-Wohnung lebt, vom Nutzen moderner Stühle und Tische überzeugt wird. Im Off zeichnet ein Sprecher die Erfolgsgeschichte des modernen Wohnens nach: Es begann mit der Mathildenhöhe in Darmstadt, wurde, vom Ersten Weltkrieg unterbrochen, vom Bauhaus fortgesetzt, überlebte den Faschismus im Ausland durch den German Style und kehrte nach dem Krieg zurück in Form von allerlei Alltagsgegenständen.

Gut, dass die Ausstellung hinter das „Gern modern“ ein Fragezeichen gestellt hat. In den 60er Jahren nämlich wurde das Konzept der Geschmacksdiktatur erstmals kritisch hinterfragt. Und während die modernen Möbel und Accessoires in den eigenen vier Wänden spätestens mit Ikea ihren Siegeszug antraten, ist die Moderne in der Architektur in eine Legitimitätskrise geraten. Im vergangenen Jahr hat der Werkbund das Modell eines Quartiers für Charlottenburg vorgestellt. Mit seiner dichten, klassischen Blockbebauung hat es nichts mehr zu tun mit den radikalen Stadtentwürfen nach dem Krieg.

Museum der Dinge, Oranienstraße 25, Donnerstag­–Montag 12–19 Uhr, noch bis 26. Juni

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