Kein Rückkehrzwang zur leiblichen Mutter

Erziehung Familienministerin bringt Gesetz auf den Weg, das Pflegeeltern mehr Rechte gibt

Kinder brauchen Verlässlichkeit Foto: Monika Skolimowska/dpa

BERLIN taz | Es ist der Albtraum der Pflegeeltern der 72.000 Pflegekinder in Deutschland: Sie betreuen und erziehen das Kind viele Jahre lang – doch ­irgendwann möchte die leibliche Mutter ihren Nachwuchs wieder zurückhaben. Obwohl das Kind vielleicht gar keine Rückkehr will. „Die Rückkehr in die Herkunftsfamilie ist ein hochrelevantes, emotional besetztes Thema“, schreibt der Sozialwissenschaftler Dirk Schäfer von der Universität Siegen, ein Spezialist für die Pflegekinderforschung.

Um mehr Klarheit in die Problematik zu bringen, will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB IIX) erweitern. Ein entsprechender Gesetzentwurf befindet sich in der Ressortabstimmung, bestätigte eine Sprecherin der Ministerin einen Bericht der FAS. Der Gesetzentwurf „verbessert die Lebenssituation von Pflegekindern durch mehr Sicherheit, Stabilität und Kontinuität“, sagte sie.

Eine Erweiterung des Paragrafen 37 sieht vor, dass sich Jugendamt, Eltern und Pflegeeltern von Anfang an mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob das Kind nur vorübergehend in der Pflegefamilie sein oder dort dauerhaft leben soll. Die Entscheidung darüber soll in einem für die „Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraum“ getroffen werden. Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Beziehung des Kindes- oder des Jugendlichen zur Herkunftsfamilie „gefördert“ wird – es geht im Gesetz also nicht darum, die Rechte der Herkunfts­eltern grundsätzlich zu schwächen.

Ist eine Verbesserung der Bedingungen in der Herkunftsfamilie während des „vertretbaren Zeitraums“ allerdings nicht erreichbar, „dient die Beratung und Unterstützung der Eltern der Erarbeitung und Sicherung“ einer anderen Perspektive, also zum Beispiel des dauerhaften Verbleibs bei den Pflegeeltern, geht aus dem neuen Paragrafen hervor. „Das Familiengericht erhält die Möglichkeit, den dauerhaften Verbleib in der Pflegefamilie anzuordnen, wenn eine Verbesserung der Erziehungsverhältnisse in der Herkunftsfamilie weder erreicht wurde noch zu erwarten ist“, sagte Schwesig.

Durch die frühzeitige Klärung von Rückkehr oder Verbleib in der Pflegefamilie soll verhindert werden, dass ein Kind noch nach vielen Jahren zu den leiblichen Eltern zurück muss. Das Ministerium führt das Beispiel einer ehemals drogenabhängigen Mutter an, die ihre Tochter nie gesehen hat, sich aber nach neun Jahren mit Entzug und Ausbildung stabilisiert hat und dann ihr Kind zu sich nehmen will. Wenn ein Gericht durch die Wegnahme aus der Pflegefamilie das Kindeswohl nicht gefährdet sähe, könnte es die Rückführung anordnen, auch gegen den Willen des Mädchens. Das könnte mit dem neuen Gesetz nicht mehr passieren.

Nur ein Bruchteil der Pflegekinder kehrt zu den Herkunftseltern zurück

In der Praxis ist eine Rückkehr der Pflegekinder zu den leiblichen Eltern allerdings selten: Pro Jahr kehren schätzungsweise nur 2,5 bis 5 Prozent der Pflegekinder in Deutschland zu ihren leiblichen Eltern zurück, schreibt Sozialwissenschaftler Schäfer.

Barbara Dribbusch