: Rolle rückwärts in Caracas
VenezuelaOberstes Gericht nimmt sein Urteil zur Entmachtung des Parlaments wieder zurück
Unklar blieb am Wochenende zunächst, welchen Einfluss die widersprüchlichen Richtersprüche für den politischen Alltag haben werden. Oppositionspolitiker kritisierten, dass die Justiz trotz der Kehrtwende die Befugnisse des Parlaments einschränke. Präsident Maduro hingegen erklärte, der Disput zwischen den Gewalten sei im Dialog gelöst worden.
Seit Jahren liefern sich die sozialistische Regierung und die Opposition einen erbitterten Machtkampf. Das konservative Oppositionsbündnis MUD dringt auf eine Absetzung des umstrittenen Staatschefs Maduro. Die Lage ist angespannt, zumal Venezuela unter anderem wegen des Ölpreisverfalls eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise durchlebt.
Am Donnerstag hatte das Oberste Gericht das von der bürgerlichen Opposition dominierte Parlament entmachtet und die Entscheidungsbefugnisse selbst übernommen. Zur Begründung hieß es, dass sich die Parlamentsmehrheit nicht an die gesetzlichen Regelungen halte und Entscheidungen der Justiz missachte. Die mehrheitlich durch Regierungspolitiker ernannten obersten Richter urteilen zumeist im Sinne von Präsident Maduro.
Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz nannte das Vorgehen des Gerichts einen „Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung“. Sie äußerte sich in einer Fernsehansprache „höchst besorgt“. Die Kritik der obersten Staatsanwältin überraschte, da Ortega Díaz der Maduro-Regierung nahesteht. Auch international stieß das Agieren der obersten Richter auf Unverständnis. Mehrere Länder, darunter Kolumbien, riefen ihre Botschafter aus Caracas zurück.
In mehreren Städten gingen Venezolaner am Samstag aus Protest gegen die politische Lage in ihrem Land auf die Straße. In der Hauptstadt Caracas verhinderte die Polizei mit Wasserwerfern einen Marsch in Richtung des Regierungspalastes. Bereits am Freitag war es zu Demonstrationen und teils zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Die katholische Bischofskonferenz des Landes erklärte, es sei notwendig, friedlich aber entschlossen gegen Übergriffe seitens der Macht vorzugehen.
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