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Wenn der Kompass abhanden kommt

FREUNDLICHES FEUER Der dänische Journalist Carsten Jensen hat einen dicken Roman über den Militäreinsatz in Afghanistan geschrieben. Jetzt stellt er "Der erste Stein" auch in Deutschland vor

Man könnte das für gut kalkuliert halten: Carsten Jensen, Bestsellerautor, Politik-Journalist und Hochschullehrer, legt einen Roman vor, in dem es um Dänemarks Beteiligung am internationalen Militäreinsatz in Afghanistan ab 2001 geht. Ein Thema, das die ganz heißen Debatten vielleicht hinter sich hat: Um 2012 herum setzte sich in der dänischen Politik die Einschätzung durch, dass der Krieg „nicht allein militärisch“ zu gewinnen sei, so Außenminister Villy Soevndal Ende 2011. Im Juli 2013 endete das zwölfjährige dänische Engagement dann auch offiziell.

Daneben dürften mehrere teils fiktionalisierte Beschäftigungen mit dem Auslandsein­satz dem Buch sozusagen den Boden bereitet haben: So war im vergangenen Jahr der Spielfilm „A War“ (im Original „Krigen“) Dänemarks Kandidat für den Auslands-Oscar. Darin ging es um bombardierte Zivilisten und einen vermeintlichen Kriegshelden, der vielleicht doch nur ein -verbrecher ist – eine Geschichte mit Parallelen zu der des deutschen Obersts Klein.

Schon 2010 hatte in Cannes der Dokumentarfilm „Camp Armadillo“ Premiere, benannt nach einer Basis in der afghanischen Provinz Helmand: Er zeigte die Verrohung, über die kaum überrascht sein kann, wer etwas über Krieg weiß – aber viele Zuschauer daheim waren eben doch bestürzt. Und dann gab es 2009 noch die ganz reale Affäre um das Buch des ehemaligen Elitesoldaten Thomas Rathsack: Der berichtete auch von Rechtsverstößen und Übergriffen, weshalb die Militärführung die Veröffentlichung zu verhindern suchte – dilletantisch und ohne Erfolg.

Was macht nun Jensen, laut Verlag „einer der schärfsten Gegner des militärischen Engagements des Westens“, dessen Ostsee-Epos „Wir Ertrunkenen“ auch an den hiesigen Ufern für Aufsehen gesorgt hat, aus diesem Stoff? Auch in „Der erste Stein“ (Knaus 2017, 640 Seiten, 26 Euro) kommt Soldaten der Kompass fürs richtige Tun abhanden, verselbstständigt sich Gewalt, kommen just die Werte auf den Hund, zu deren Verteidigung man doch einst ausgerückt sein wollte. Ob die – ebenfalls dem Klappentext zufolge – Bezugnahme auf Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ vielleicht allzu vollmundig ist? Das kann auch bei den anstehenden Lesungen überprüft werden, zu denen Jensen seinen Übersetzer Ulrich Sonnenberg mitbringt. ALDI

Mi, 22. 3., Flensburg, Schifffahrtsmuseum; Di, 28. 3., Hannover, Buchhandlung Leuenhagen & Paris; Mi, 29. 3., Tönning, Nationalparkzentrum Multimar Wattforum (Deutsche Lesung: Robert Habeck, Grüne, Umweltminister Schleswig-Holstein); Do, 30. 3., Kiel, Förde Sparkasse

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