: Weckdienst für Obdachlose
Sauberkeit Das Bezirksamt Mitte lässt Rumänen und Bulgaren vor Kaufhäusern vertreiben
Eine Gruppe von rund 25 Obdachlosen aus Rumänien und Bulgarien ist ins Visier des Bezirksamts Mitte geraten. Sie übernachten in den Hauseingängen rund um die City-Kaufhäuser Kaufhof Galeria und Saturn an der Mönckebergstraße. Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD) will sie deshalb ab Ende März morgens um 6.30 Uhr von der Polizei und der Stadtreinigung wecken lassen und tagsüber mit ihrem Hab und Gut aus dem Stadtbild verbannen. Für die Nacht dürften sie ihre Schlafplätze wieder einnehmen.
Bisher waren die Menschen auf Platte dort geduldet. „Es gibt aber bestimmte Grenzen“, sagt Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland. „Es gibt eine massive Beschwerdelage.“ So seien die Eingänge in dem Bereich zuletzt zur Notdurft genutzt worden, sodass sich die Schamgrenze verschoben habe. „Dem Personal ist es nicht zuzumuten, im Personaleingang über einen Haufen Unrat und Kotberge zu steigen.“ Deshalb sollen die Obdachlosen morgens ihre Schlafplätze räumen, sodass sie gesäubert werden können. „Die Stadt ist für alle da, auch für das Kaufhauspersonal oder die Passanten“, bekräftigt Weiland. Die Maßnahme sei daher örtlich begrenzt und gelte nicht für die ganze Innenstadt.
Für Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter beim Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt, ist das Anliegen des Bezirks zwar legitim, aber „die Gruppe wäre nicht auffällig geworden, wenn sie eine Unterkunft bekommen hätte“, sagt er. „Jeder braucht ein Bett und nicht die Straße.“ In dem „Zweiklassensystem“ des städtischen Winternotprogramms werde Osteuropäern oft eine Aufnahme verweigert, weil sie nicht als wohnungslos gelten, wenn sie in ihrem Herkunftsland noch einen Wohnsitz haben, sagt Karrenbauer.
Auch die Chefin der Linksfraktion, Cansu Özdemir, hält das Problem für hausgemacht: „Wer obdachlos ist und vom Winternotprogramm ausgeschlossen wird, sucht sich draußen einen Schlafplatz“, sagt Özdemir. Die betroffenen Menschen bräuchten langfristige Perspektiven und Unterstützung, um aus ihrer desolaten Situation herauszukommen.
Karrenbauer hält fest, dass in der Regel die Obdachlosen ihre Platte vor der Öffnung der Geschäfte verlassen und sauber hinterlassen. An diese Regeln habe sich die Gruppe nicht gehalten. Ende des Monats könnte sich das Problem noch vergrößern, wenn nach dem Ende des Winternotprogramms wieder 900 Menschen auf die Straße drängen, da sie keine feste Unterkunft bekommen. Karrenbauer kündigte an, genau zu verfolgen, ob die morgendliche Räumung tatsächlich „speziell auf dieses kleine Gebiet begrenzt“ bleibe. Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen