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Nachhilfe in Reichsbürgerkunde

RECHTSEXTREMISMUS Eine freie Nachhilfeschule plant Angebote, dessen Inhalte an Reichsbürger-Vorstellungen erinnern

Nachhilfeschule in der Schanze unter Verdacht: Rechte in unscheinbarer Nachbarschaft Foto: Miguel Ferraz

von Andreas Speit

Die Nachhilfeschule Dyck wirbt mit einem „angenehmen Lern­ambiente“, hellen Räumen, moderner Technik und individuellem Unterricht für „jedes Alter“. Ihre Räume liegen in der Fettstraße im links-alternativen Schanzenviertel, doch die dort gebotenen Lerninhalten tendieren stark nach rechts.

Die Themen und Inhalte stammten aus dem Katalog der „Reichsbürger“- und „Selbstverwalter-Szene“, die die Existenz der Bundesrepublik abstreitet. „Super Blödsinn“, wehrt sich Martina Dyck von der Nachhilfeschule. Auf ihrer Internetseite kritisiert die Schule „Reichsbürger Hetze der Verfassungsschutz Medien gegen ALLES & jeden!“ (sic!), um darunter mit „wichtig*wichtig*wichtig“ auf Aufrufe und Termine dieses Milieus hinzuweisen.

Hier verlinkt die Nachhilfeschule auch auf „Staatenlos.info“. Ende vergangenen Jahres hat das Amtsgericht Ratzeburg den führenden Kopf von „Info“ Rüdiger Hoffmann wegen Beleidigung und übler Nachrede zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt, da er in Briefen an verschiedene Gerichte über eine angebliche Nazi-Vergangenheit der Familie des Direktors des Amtsgerichts Ratzeburg, Frank Rose, spekulierte.

„Wir müssen doch nicht alles schlucken“, sagte er der taz damals und meinte: „Wir sind keine Reichsbürger. Wir sind Regimekritiker.“ Man nenne sie nur „Reichsbürger“, weil sie die „wirklichen Fragen“ stellten. Der Kreis um Hoffmann, einem ehemaligen NPD-Kader, glaubt, dass „interne Dokumente“ die „geheime staatsrechtliche Weiterführung des 3. Reiches von Adolf Hitler durch dessen Rechtsnachfolger Bundesrepublik Deutschland“ beweisen könnten.

Auf der „Staatenlos“-Seite wird erklärt: „Der Gipfel der unerträglichen Zustände in Deutschland ist der Rechtsbankrott durch Privatisierung der BRD in Mafia-Strukturen.“ Oder behauptet: „Die Bedrohungslage für die weltweite Sicherheit gipfelt in der Installation des sog. ‚islamischen Staates‘ (ISIS) durch die Faschisten in Deutschland und Europa.“

Bürger für das Reich

In Hamburg gibt es laut Verfassungsschutz etwas 50 der rechtsextremen Reichsbürger.

Anhänger dieser Szene lehnen die BRD ab und verneinten auch die Handlungsfähigkeit deutscher Gerichte und Verwaltungen.

Stattdessen treten sie für die Wiederherstellung des „Deutschen Reiches“ ein.

Sie sind häufig antisemitisch und ausländerfeindlich. Mehrfach gab es Gewalttaten.

Doch nicht alleine die Links und Verbindungen haben zu der Warnung des Verfassungsschutzes geführt – auch die Bildungsangebote der Nachhilfeschule. Seit 2008 bietet sie unter anderen Mathematik, Deutsch, Englisch und Bewerbungschoaching an und bald auch „Germanische Mythologie“, „elektromagnetische Strahlung als Waffe“, „CO2-Lüge, Chemtrails“ und „Zwangs­impfung“. Auch auf Xavier Naidoo verweist die Schule, der wegen seiner Nähe zu Reichsbürger-Ideen kritisiert wird.

Diese Themen der Nachhilfeschule seien auch die Themen der Reichsbürger-Bewegung, schreibt der Verfassungsschutz in einer Presseerklärung. Die Bewegung, die Bezüge zur rechtsextremistischen Szene aufweise, sei seit dem vergangenen Jahr verstärkt auch in Hamburg aktiv und werde seitdem beobachtet, heiß es weiter – eine Formulierung, die ein wenig verklausuliert, dass diese Szene erst seit den tödlichen Schüssen eines Reichsbürgers im Oktober vergangenen Jahres auf einen Polizeibeamten im mittelfränkischen Georgensgmünd stärker von den Sicherheitsstrukturen wahrgenommen wird.

Verschiedene Statements pro Russland können bei der „Schule“ auch gelesen werden. Auf der Webseite erklärt sie sogleich: „Für dieses Statement zur aktuellen Lage zeichnet sich die Leiterin der Nachhilfeschule Dyck, Frau Dr. Martina Dyck, verantwortlich“, aber „auch viele meiner Lehrkräfte schließen sich dieser Meinung an“. Man könne jedoch auch „selbstverständlich anderer Meinung“ sein.

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