: Kartellamt kritisiert Milchmarkt
Ernährung Die Wettbewerbswächter monieren, dass die Bauern in der Praxis kaum die Molkerei wechseln könnten. Genossen sollten auch die Konkurrenz beliefern dürfen
von Jost Maurin
Die konventionellen Milchbauern klagen seit Jahren, dass sie von den Molkereien weniger als die Produktionskosten für ihre Milch bekommen. Das trug maßgeblich dazu bei, dass zum Beispiel in den vergangenen drei Jahren 10 Prozent der Betriebe die Milchviehhaltung aufgaben. Immer mehr Bauernhöfe schließen. Grund für den Preisdruck ist vor allem die Überproduktion, die Kritikern zufolge von Molkereien gefördert wurde.
Zudem haben die Milchverarbeiter es bislang nicht nötig, sich mit höheren Preisen oder besseren Vertragsbedingungen zu überbieten, weil Bauern kaum zwischen Molkereien wechseln können. „Es gibt so gut wie keine Wechsel der Molkerei“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Die Lieferverträge für mehr als die Hälfte der Rohmilch sei nur mit einem Vorlauf von mindestens zwei Jahren kündbar. Die tatsächliche Frist kann sich sogar noch weiter verlängern, weil die meisten Kontrakte nur einmal im Jahr gekündigt werden dürften. Bei so langen Fristen müssen Erzeuger meist kündigen, ohne einen neuen Abnehmer zu haben. Schon wegen dieses Risikos bleiben viele lieber bei ihrer alten Molkerei.
Ein Wechsel ist oft nicht attraktiv, weil die Preisunterschiede zwischen vielen Molkereien minimal sind. 94 Prozent der untersuchten Lieferbeziehungen sahen laut Behörde vor, dass die Molkereien die Preise nach der Lieferung ändern können – also etwa dann, wenn sich herausstellt, dass die Konkurrenz weniger gezahlt hat. Das Kartellamt hatte 89 private und genossenschaftliche Molkereien befragt, die etwa 98 Prozent der Rohmilch verarbeiten.
Das Kartellamt schlägt vor, die Kündigungsfristen auf drei oder vier Monate zu verkürzen und mehrere Kündigungstermine pro Jahr zu ermöglichen. Mitglieder von Molkereigenossenschaften sollten auch an andere Meiereien liefern dürfen. Die Preise und Mengen müssten im Voraus festgelegt werden.
Das Amt ruft die Beteiligten auf, über solche Vorschläge zu diskutieren. Sollte das nichts nutzen, könnte es aber auch die Molkereien zwingen, ihre Verträge entsprechend zu ändern.
„Kartellamt zerstört den Milchmarkt“, schrieb die größte deutsche Molkerei, DMK, über die Vorschläge der Behörde. Die Verträge seien „kartellrechtlich zulässig“. „Wie diese Lieferverträge gestaltet werden, legen in einer Genossenschaft die Bauern gemeinschaftlich fest.“ DMK gehört zwar rund 8.000 Milchbauern, aber viele klagen, dass sich einfache Genossenschaftsmitglieder gegen das hauptamtliche Management kaum durchsetzen könnten. Der Milchindustrie-Verband erklärte, die Verträge würden „freiwillig“ geschlossen.
Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, dagegen begrüßte die Mitteilung des Kartellamts: „Das darf nicht ad acta gelegt werden.“
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