Gepflegter Dissens

Einigung Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer bestätigt Chris Dercon als Intendant der Volksbühne

Am Mittwochabend saß Chris Dercon, der ernannte Intendant der Volksbühne, im Hebbel­thea­ter in Berlin und sah sich eine Performance von Mette Ingvartsen an. Die gehört zu dem künstlerischen Team, mit dem er im August in seine erste Spielzeit ziehen wird. Sie zeigte in einer Retrospektive ein eigenwilliges und fulminantes Stück. Eigenwillig, weil der Fokus nicht auf den Performern, sondern den von ihnen bewegten Materialien lag, die im raffiniert gesetzten Licht funkelten und leuchteten. Fulminant, weil die Stoffe in dem „The artificial nature project“ betitelten Stück von den Performern mit Laubbläsern in virtuose Bewegung versetzt wurden und eine sich ständig verändernde Landschaft bildeten.

Für Chris Dercon könnte dies Feuerwerk auf der Bühne die schöne Orchestrierung eines befreienden Moments gewesen sein. Denn die Gespräche zwischen ihm und dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer lagen hinter ihm. Am Donnerstag gab der Kulturpolitiker in einer Pressemitteilung bekannt, dass er sich zu dem Vertrag „Chris Dercon als Intendant der Volksbühne“ bekennt.

Klaus Lederer (Die Linke) hatte sein Amt als Kultursenator in Berlin im Dezember 2016 mit der Ansage angetreten, die Personalie Dercon noch mal auf den Prüfstand zu stellen. Er hielt den belgischen Kulturmanager nicht für geeignet, an die Geschichte der Volksbühne anzuknüpfen, und wollte in Gesprächen die Möglichkeiten von Alternativen eruieren. Wofür man sich angesichts geschlossener Verträge aber kaum Spielraum denken konnte. Es schien ziemlich vorhersehbar, dass die Erwägung, ob es Chris Dercon möglicherweise reiche, sich auf der neu zu eröffnenden Spielfläche in den Hangars des Flughafen Tempelhofs auszutoben und das Volksbühnenstammhaus anderen zu überlassen, keine realistische Option war.

Trotzdem, nun haben beide „intensive Gespräche“ hinter sich. „Am Ende blieb es aber bei unterschiedlichen Sichtweisen auf Theaterbetrieb und -funktion. Diese Differenz mag ungewöhnlich sein – ich halte sie jedoch für aushaltbar“, fasst Lederer in seiner Pressemitteilung die Gespräche zusammen. Und Chris Dercon erklärt dazu: „Wir haben uns geeinigt, uns nicht zu einigen. Wir werden die Volksbühne ab dem 1. August in einer Weise weiterführen, die sowohl den sozialen Organismus dieses einzigartigen Theaters würdigt als auch die Zukunft der darstellenden Künste in Berlin und darüber hinaus vorantreibt.“

Also war die große Aufregung, das Warten, wann reden sie denn nun, nur ein Sturm im Wasserglas? Ja, aber da führte für den Kultursenator wohl kein Weg daran vorbei.

Katrin Bettina Müller