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Ausweitung der Übungszone

Antiterror Im Präsidium üben heute Polizei- und Bremer Bundeswehrführung, im Ernstfall zu kooperieren. Kritiker warnen vor einer Militarisierung ziviler Sicherheit

von Benno Schirrmeister

Zum Protest gegen die gemeinsame Anti-Terror-Übung von Polizei und Bundeswehr im Bremer Polizeipräsidium haben Die Linke und das Bremer Friedensforum aufgerufen. Getex heißt die simulierte Lagebesprechung, bei der die jeweiligen Kommandoebenen von Polizei und Militär vom heutigen Dienstag bis Donnerstag, 8. März, in sechs Bundesländern überlegen sollen, wie sie bei einem vorgegebenen Anschlagsszenario sinnvoll verführen.

„Die Getex-Übung wird für die Bevölkerung nicht sichtbar werden“, teilt das Innenressort mit. Hinweise darauf, dass es stattfindet, geben nur die Fahrzeuge mit dem Y-Kennzeichen auf dem Polizeiparkplatz – und ab 16 Uhr die Demonstrierenden. Polizei und Militär seien nach 1945 aus gutem Grund voneinander getrennt – und „diese Trennung wird durch solche Maßnahmen gezielt unterlaufen“, befürchtet Hartmut Drewes vom Bremer Friedensforum.

„Wenn man meint, dass die Polizei für einen Ernstfall nicht gut genug ausgestattet ist, muss man das ändern“, sagt er. Das wäre Aufgabe des Innensenators Ulrich Mäurer (SPD) – statt die Hilfe des Militärs einzuplanen. Bei der Demo rechne man mit „vielleicht 50 TeilnehmerInnen“, so Drewes. Immerhin habe auch Die Linke dazu aufgerufen, sich an der Protestkundgebung in der Vahr zu beteiligen.

„Diese Stabsübung ist Teil einer schleichenden Militarisierung der Sicherheitspolitik“, sagt Doris Achelwilm vom Landesvorstand der Linken. Auch, dass es keinerlei parlamentarische Befassung mit der geplanten Übung gegeben habe, bestätige den Verdacht, dass man sich von guter demokratischer Tradition entferne: „Innensenator Ulrich Mäurer hat einen Tag vorm Antikriegstag einfach nur mitgeteilt, dass die Getex stattfindet“, so Achelwilm, „das finde ich nicht nur wegen des Timings bemerkenswert.“

Politisch ist die Frage umstritten: Sie war auch Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen SPD und CDU um das neue Weißbuch der Bundeswehr gewesen, das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im August 2016 schließlich vorgestellt hatte. Von der Leyen hatte zwar nicht geschafft, eine Verfassungsänderung als Ziel in diese sicherheitspolitische Standortbestimmung aufzunehmen, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren als neuen Normalfall ermöglicht. Dafür wurden die Aufgaben betont, die Militärs bei offensiver Auslegung der jetzigen Rechtslage übernehmen können.

Neu verankert wurde die Möglichkeit, gute Zusammenarbeit mit den Landesbehörden „im Rahmen gemeinsamer Übungen vorzubereiten“. Auch aus Sicht der kritischen Soldaten, die sich im Darmstädter Signal zusammengeschlossen haben, ein Dammbruch: Es sei „völlig absurd, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jetzt sagt, die Bundeswehr müsse nun mit inländischen Behörden wie mit der Polizei üben“, hatte Hauptmann Florian Kling sich gegen diese Ausweitung der Kampfzone ausgesprochen. Vergebens.

„Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr in einer Terrorlage ist neu“, hebt auch das Bremer Innenressort hervor. „Etwas Vergleichbares hat es bislang nicht gegeben.“ Doch während Kritiker wie der Menschenrechtsanwalt Rolf Gössner vor einer „verfassungsrechtlich problematischen Grenzüberschreitung“ warnen, sieht man sich in der Behörde auf festem Boden: „Wir sehen die Unterstützung der Polizei für unbedenklich an“, so Mäurers persönlicher Referent Nicolai Roth. „Nur wer übt, ist im Ernstfall vorbereitet.“ Die Kontrolle liege dabei allein bei der Polizei. „Es ist und bleibt ein Einsatz der Polizei, der etwaige Ressourcen anderer Ressorts und Einrichtungen unterstellt werden.“

Wie viel Militär darf’s sein?

Die entscheidenden Bestimmungen zum Einsatz der Streitkräfte im Inland finden sich in Artikel 35 und 87a des Grundgesetzes.

Dort heißt es: „Zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand [...] des Bundes oder eines Landes kann die Bundesregierung [...] Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei [...] beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen.

Bedingung ist, dass das Land diese Hilfe entweder anfordert – dann behält es die Befehlsgewalt – oder nicht bereit oder fähig ist, die Gefahr zu bekämpfen – dann übernähme der Bund.

Auch Björn Fecker, Innenpolitiker der Bremer Grünen-Fraktion hält die Stabsübungen nicht für verwerflich: Diese könnten aus seiner Sicht „keine Vorboten sein, um den Rahmen des Einsatzes der Bundeswehr im Innern zu erweitern“. Um die Einschätzung zu verifizieren, habe man aber den Innensenator bereits gebeten, „nach der Übung in der Innendeputation ausführlich über die Ergebnisse der Übung zu berichten“.

Dass allerdings unter von der Leyen die Hemmschwelle, die Bundeswehr in Marsch zu setzen, auf ein historisches Tief gesenkt wurde, steht seit dem Münchner Amoklauf vom 22. Juli fest. Wegen der Bluttat eines verwirrten Einzelnen, ein klassischer Polizeijob, war ein Feldjägerregiment in Alarmbereitschaft versetzt worden – „um für den Fall eines möglicherweise sehr kurzfristig eintreffenden Unterstützungsersuchens […] vorbereitet zu sein“.

So etwas hatte es laut Bundesregierung außerhalb von Naturkatastrophen seit Bestehen der Bundeswehr noch nicht gegeben.

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