: Erscheinungen des Selbst
Kritik Die Ausstellung „Invitation Epiphany“ im Künstlerhaus zeigt Werke von Josef Strau. Sie laden ein, sich selbst zu verorten
Josef Strau arbeitet mit sehr verschiedenem Mitteln: Schrift, Malerei und Readymades. Sein Umgang mit all dem ist eigenartig. Das begreift man schnell beim Besuch seiner Ausstellung in der Galerie des Bremer Künstlerhauses. „Invitation Epiphany“ ist der messianische Titel der Schau des 1957 in Wien geborenen Künstlers. Aber wer ist eingeladen? Und wer oder was könnte erscheinen? Der Künstler selbst ist kein Jonathan-Meese-Typ und hält sich im Hintergrund. Kunst wäre als Antwort vielleicht etwas langweilig. Außerdem erwartet man sie nicht, denn sie ist schon da. Etwas, dessen Erscheinen man erwartet, stehend, in dieser Ausstellung aus typografischen Bildern, mit Zinn umschlossenen Leinwänden, Gittertoren und Heizkörpern, ist ein sinnlicher Zusammenhang. Um den zu stiften braucht es uns, die Betrachter. Wir sind eingeladen, die Erscheinung sind wir.
Und das ganz wörtlich. Denn nehmen wir einmal die kleinformatigen Leinwände aus diesem Jahr, die an einer der Ausstellungswände aneinandergereiht hängen. Sie haben keine Farboberfläche oder zumindest sieht man sie nicht. Sie sind in Zinn eingegossen, wie man es zur Sicherung von Unterlagen macht, die man in Kriegszeiten unter der Erde versteckt. Und auf dieser spiegelnden Oberfläche findet man in unterschiedlicher Weise verzerrt, unkenntlich aber doch eindeutig, das eigene Gesicht. Die metallenen Oberflächen sind auf unterschiedliche Weise geknittert, zerfurcht und in Flächen zerteilt. An manchen Stellen sind Sie aufgeplatzt, dort werden sie von einer gelöteten Naht zusammengehalten. Hier scheint die darunter liegende Leinwand hervor. Die objekthaften Bilder erinnern an Modelle von Landschaften. Die gelbe oder rote Farbe, die aus diesen Erdspalten hervortritt, wirkt wie Lava.
Topografisch sind auch Straus Sprachbilder – wie kleine Inseln, Tropfen oder Blütenblätter sind sie über die Wände verteilt. Es sind kreisrunde Stücke Literatur. Die Prosa ist tatsächlich auch geografisch gebunden, bezieht sich meist auf Orte, die Strau, der zwischen Frankfurt am Main und Boston pendelt, besucht hat. Es sind automatisch geschriebene, assoziative, fragmentarische Texte – Geschichten wäre zu viel gesagt. Es gibt auch eine kleine Bremer Literaturinsel. „I was sitting in a cafe. I was sitting in the sun, but was considering what would be the subject matter of my best exhibition in bremen.“ So beginnt es.
Ein drittes Element in der installativ angelegten Schau ist eine Ansammlung von stählernen und bunt lackierten Gartenzäunen, Fensterrahmen und Heizkörpern, die im Raum stehen oder an Wänden lehnen. Auch sie sind topografischer Art. Man kann sich durch die Strukturen hindurchschauen und in ihnen allerlei entdecken. Was man nicht tun sollte, ist zu fragen, was der Künstler sich dabei gedacht hat. Radek Krolczyk
Die Ausstellung ist noch bis zum 31. April zu sehen.
Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen