berliner luft: Auf Tauchstation
die berlin-parlamentskolumne
von Martin Reeh
Die Bahntickets nach Nürnberg sind gebucht, der Fotograf bestellt, als am 20. Februar um 19.40 Uhr per Mail die Absage aus Markus Söders Büro eintrudelt: „Ich habe leider schlechte Nachrichten. Wir müssen das Interview für morgen absagen. Bei uns hat sich diese Woche leider terminlich alles verschoben. Es tut mir furchtbar leid, dass wir so kurzfristig dran sind“, schreibt Söders Pressesprecherin. Danach taucht seine Pressestelle ab. Auf unsere Mail mit der Bitte um einen Ersatztermin für das monatelang angefragte Interview gibt es keine Antwort, telefonische Nachfragen enden im Vorzimmer. Den Rest der Woche sehen wir Söder nur aus der Ferne – auf Facebook: Am 21. geht ein Filmchen seiner Bürotassensammlung online, später posiert Söder vor einem Dürer-Bild, mit abgeschnittener Krawatte (Fasching!), meldet sich aus dem Stadion des 1. FC Nürnberg.
Er hat es derzeit nicht leicht. Im Januar, als er seinen 50. Geburtstag feierte, zitierte er gerne einen Spruch seines Vaters: „Ab 50 beginnt im Leben eines Mannes die Zeit der Ernte.“ Aber was ist, wenn die Ernte ausbleibt – wenn mit 50 schon der Karrierehöhepunkt erreicht ist? Seit Monaten liefern sich Ministerpräsident Horst Seehofer und Söder einen schmutzig-unterhaltsamen Kampf. Söder will der neue Seehofer werden, Seehofer das verhindern. Und jetzt sieht es so aus, als würde Seehofer gewinnen.
Was nutzt Söder in dieser Situation ein Gespräch mit der taz? Zum 50. erzählte er im Bayerischen Rundfunk noch einmal die Geschichte seiner Abifeier, die er versäumte, weil er zur selben Zeit ausgerechnet im linken Nürnberger Jugendzentrum KOMM an einer Veranstaltung der Jungen Union gegen das sandinistische Nicaragua teilnahm. In seiner Zeit als CSU-Generalsekretär forderte er Drogentests für grüne Abgeordnete. Und erst 2016 verkündete er: „Die zukünftige Herausforderung wird die geistige Auseinandersetzung mit den Grünen.“ Der Kampf gegen Grüne und Alternative ist der rote Faden in Söders Biografie.
Wenn man risikobereit ist, kann man auch und gerade in der taz ein paar schöne Sätze gegen das linke Milieu platzieren – so wie es im letzten Jahr FDP-Vize Wolfgang Kubicki tat: „Weil die Grünen für Rauchverbote sind, muss Volker Beck auf Crystal Meth ausweichen“, argumentierte er gegen den grünen Hang zu Verboten. Kubicki muss nichts mehr werden, Söder schon. Deshalb gibt Kubicki der taz Interviews, Söder nicht. Es könnte ja schiefgehen.
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