Nur noch Altmeister

Nordische Ski-WM Beim Gastgeber Finnland sehnt man sich nach den alten Zeiten. Nach fünf Wettkampftagen sah es mau aus, doch dann gewinnt Langläufer Ivo Niskanen Gold

Auf dem Weg zum bislang größten Erfolg: Die in Führung liegende Finnin Krista Parmakoski gewinnt letztlich Silber im Skiathlon Foto: ap

Aus Lahti Klaus-Eckhard Jost

Plötzlich schwoll der Geräuschpegel im Salpausselkä-Stadion gewaltig an. Auf den Tribünen wurde weiß-blaue Fähnchen wie wild geschwenkt. Gleichzeitig überschlug sich die Stimme des Stadionsprechers. „Hannu Manninen“, schallte es aus den Lautsprechern. Der Altmeister der Nordischen Kombination holte in der Staffel noch einmal alles aus sich heraus. Wie in seinen besten Zeiten, als er nicht nur 48 Weltcuprennen und viermal die Gesamtwertung gewinnen konnte, sondern noch dreimal bei Weltmeisterschaften und einmal bei Olympischen Spielen triumphierte.

Am Ende musste der 38-Jährige, der im Januar erst sein Comeback gegeben hatte, seinem Alter Tribut zollen. Die Zeit, die er durch sein forsches Auftreten anfangs gewonnen hatte, verlor er dann wieder. Seine finnischen Landsleute waren trotzdem begeistert, in etwa so begeister wie gestern, als es den ersten großen finnischen Erfolg zu feiern gab mit dem Langläufer Ivo Niskanen über 15 km klassisch.

Dass sich die Finnen nach den alten, glorreichen Zeiten sehnen, war am Sonntagabend auf Lahtis Marktplatz spürbar. Der war mit etwa 20.000 Besuchern prall gefüllt, weil die Siegerehrung des Skiathlons anstand. Krista Parmakoski hatte Silber hinter Marit Björgen gewonnen. Es war bis dato neben Bronze im Teamsprint der Männer die zweite Medaille für die Gastgeber in fünf Wettkampftagen.

Die Vergangenheit: Große Wintersportler hat Finnland hervorgebracht, den bärigen Langläufer Juha Mieto oder den nimmermüden Loipen-Star Harri Kirvesniemi und seine Frau Marja-Liisa, den leichtgewichtigen Flieger Matti Nykänen und den Schanzenhero Janne Ahonen – oder den Kombinierer Hannu Manninen. Aber der nordische Sport hat nicht mehr so viel zu bieten wie früher. Das ist alles eine Folge des Dopingskandals von 2001 bei der Weltmeisterschaft in Lahti.

Die Gegenwart: Beim Rennen der Männer über 15 Kilometer in der klassischen Technik gab es folgendes Ergebnis:

1. Niskanen FIN 36:44.00 Min.

2 Sundby NOR +17.90 Sek.

3. Dyrhaug NOR +31.30

4. Bessmertnych RUS +41.80

5. Tönseth NOR +53.20

5. Larkow RUS +53.20

7. Poltoranin KAZ +1:06.30 Min.

8. Jauhojärvi FIN +1:09.7

9. Olsson SWE +1:10.6

10. Halfvarsson SWE +1:15.0

11. Heikkinen FIN +1:16.4

12. Musgrave GB +1:27.4

Dabei hätte gerade im Teamsprint der lang erhoffte große Triumph gelingen können. Aber Ivo Niskanen war in der vorletzten Kurve zu Fall gekommen, als er gerade dabei war, in Führung zu gehen. Ausgerechnet der Norweger Emil Iversen hatte ihn durch einen kurzfristigen Spurwechsel am Überholen gehindert. Immerhin blieb noch Bronze. Mit Gold wäre der WM-Traum eines ganzen Landes in Erfüllung gegangen. Aber es sollte ja noch werden.

Im Langlauf begann die finnische Krise ausgerechnet 2001. Damals hat die Weltmeisterschaft auch in Lahti stattgefunden. Zwei Tage vor dem Ende der Titelkämpfe wurden die sechs Finnen Virpi Kuitunen, Milla Jauho, Harri Kirvesniemi, Jari Isometsä, Janne Immonen und Mika Myllylä des Dopings überführt. Ihnen konnte die Einnahme des Blutplasma-Expanders HES nachgewiesen werden, das zur Vertuschung von Blutdoping diente. Nicht nur für die skiverrückten Finnen ein Schock. Auch der Verband konnte sich davon bis heute nicht richtig erholen.

„Für Finnland ist die WM 2017 die Möglichkeit, den schwarzen Fleck von 2001 auszulöschen“, sagte der Schweizer Gian Franco Kasper, der Präsident des internationalen Skiverbandes Fis.

In der Langzeit-Weltcup-Statistik belegt Finnland durchweg vordere Plätze. Mit 78 Siegen sind die Skandinavier im Langlauf die Nummer vier. In der Nordischen Kombination sind sie die Nummer drei und im Skispringen mit 166 Siegen hinter Österreich (270) die Nummer zwei. In der aktuellen Nationenwertung allerdings belegen die Springer nur Platz zehn. Zum Weltcup nach Klingenthal Anfang Dezember reisten gerade mal zwei Athleten an. Obwohl ein Mannschaftsspringen anstand. Dazu sind aber vier Springer notwendig.

Einst eine finnische Domäne: die WM-Sprungschanzen Foto: ap

Dabei haben finnische Springer Geschichte geschrieben. Matti Nykänen gewann sowohl 1984 in Sarajevo als auch 1988 in Calgary jeweils zweimal Gold. Vier Jahre später war es Toni Nieminen, der den neuen V-Stil perfektionierte und in Albertville zweimal Gold gewann. Janne Ahonen ist mit fünf Erfolgen bei der Vierschanzentournee Rekordhalter. Und mit 39 Jahren immer noch aktiv. Auf der Normalschanze belegte er Platz 25 – und war bester Finne. Er möchte unbedingt noch mit seinem Sohn Mico, gerade 15 Jahre alt, in einem Team springen.

Symptomatisch für den Verlust an sportlicher Bedeutung ist auch das gesunkene Interesse an finnischen Trainern. Im vergangenen Sommer wurde der Österreicher Andreas Mitter mit dem Auftrag verpflichtet, die finnischen Springer wieder an die Weltspitze heranzuführen. Er ist zuversichtlich: „Nachwuchs ist vorhanden“, sagt Mitter, „die Jahrgänge 1999 und 2000 sind gut aufgestellt und gut ausgebildet.“ Ähnliches gilt auch für die Langläufer.