Merkel und Özdemir loben Agenda 2010

Wahlkampf Kanzlerin und Grünen-Chef kritisieren Martin Schulz für Abrücken von den Reformen

BERLIN dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Forderungen ihres SPD-Herausforderers Martin Schulz nach einer teilweisen Rücknahme der Agenda 2010 zurückgewiesen. Das Festhalten an den Arbeitsmarktreformen sei eine Grundvoraussetzung für weiteren wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Ausgleich in Deutschland, sagte sie am Samstag in Stralsund. Es war ihre erste öffentliche Reaktion auf den Vorstoß von Schulz.

Schulz will, dass Arbeitslose länger als bisher Arbeitslosengeld I erhalten und Arbeitsverträge nur noch bei sachlicher Begründung befristet werden dürfen. In Umfragen zur Bundestagswahl im September liegt die SPD inzwischen erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder knapp vor der CDU.

„Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich mit der Agenda 2010 um Deutschland verdient gemacht“, betonte Merkel in Stralsund. Aufgabe der Politik sei es, darüber nachzudenken, wo Deutschland in zehn Jahren stehen solle. „Also nicht hadern mit der Agenda 2010, sondern lieber nachdenken, was ist die Agenda 2025“, empfahl die CDU-Vorsitzende.

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Schulz scharf. „Ich wundere mich sehr darüber, dass sich die SPD von der Agenda 2010 verabschieden will“, sagte Özdemir der Bild am Sonntag. „Martin Schulz kommt mit seiner Kritik sehr altbacken daher.“ Mehrere Grünen-Politiker fordern indessen einen Anspruch auf Arbeitslosengeld schon nach vier Monaten Beschäftigung. So steht es in einem am Samstag veröffentlichten Arbeitsmarkt-Papier.

Linken-Chefin Katja Kipping forderte die SPD unterdessen einmal mehr auf, mit einer rechnerischen Mehrheit links von der Union im Bundestag schon jetzt die Agenda 2010 zu kippen. Die SPD hat jedoch betont, dass die Große Koalition fortgesetzt werde, und damit einen Koalitionsbruch vor der Bundestagswahl ausgeschlossen. „Die Agenda 2010 kann abgewählt werden – und zwar sofort“, sagte Kipping. „Ich fordere Martin Schulz auf, gemeinsam mit der Linken das Kündigungsschreiben für die unwürdigen Hartz-IV-Sanktionen im Land aufzusetzen.“

Die derzeitigen Umfragewerte der SPD lassen die Hoffnung auf ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis nach der Wahl im September steigen. Rechnerisch gebe es seit der Ernennung des SPD-Kanzlerkandidaten „sehr viel bessere Voraussetzungen, Frau Merkel abzulösen, als vor Schulz“, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger der Mitteldeutschen Zeitung vom Samstag. Er lobte, dass Schulz „einen Wahlkampf mit dem Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit führt und damit das richtige Thema in den Mittelpunkt stellt“.