HSV zu Gast beim FC Bayern München: Schmerzprävention mit Placebos

Zuletzt endeten Ausflüge des HSV nach München in einer mittleren Katastrophe. Jetzt glaubt der Verein wieder an seine Chance, sogar beim FC Bayern.

HSV-Spieler umarmen und freuen sich

Auch in München mit Grund zur Freude? Foto: reuters

HAMBURG taz | Der ehemalige Bremer Abwehrspieler Sebastian Prödl hat der Bundesliga eine wunderbare Weisheit hinterlassen. Eine Weisheit darüber, wie es sich anfühlt, beim FC Bayern anzutreten. „München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen“, hat er gesagt und dafür sogar eine Auszeichnung bekommen.

Sein Gleichnis wurde 2015 zum Fußballspruch des Jahres gekürt. Prödl hat aus eigener Erfahrung gesprochen, er hat mit dem SV Werder ein paar krachende Niederlagen beim FC Bayern kassiert, und er sprach natürlich für die gesamte Branche. Kein Bundesligist fährt gern nach München, denn dort ist die Gefahr einer traumatischen Schmach besonders groß.

Das gilt vor allem für den Nord­rivalen von Prödls Bremern, den Hamburger SV. Kein Mitbewerber kam in der jüngeren Vergangenheit in München dermaßen unter die Räder. Das 0:5 beim bislang letzten Auswärtsspiel gegen den FC Bayern im August 2015 wirkt fast schon wie ein Erfolg im Vergleich zu den Niederlagen davor. Im Vergleich zum 0:8 vor zwei Jahren oder dem 2:9 im März 2013. Wenn die Hamburger nach München mussten, ging es nie glimpflich aus zuletzt. Es tat immer weh.

Jetzt wird der HSV wieder am Ort seiner schlimmsten Demütigungen erwartet. An diesem Samstag steht das Bundesliga-Spiel in der Münchner Arena an. Trainer Markus Gisdol kennt die Zahlen, er weiß, dass die Hamburger in den vergangenen Jahren schlecht aussahen beim FC Bayern. Doch er lässt sich davon nicht einschüchtern. Seiner Meinung nach ist es unzulässig, aus der Vergangenheit Gesetze für die Zukunft abzuleiten. „Was haben die Spiele vor zwei oder drei Jahren mit dem Spiel jetzt zu tun? Gar nichts“, sagt er.

Bundesliga first!

In der Tat ändern sich die Dinge ja schnell im Fußball, insbesondere beim HSV, wo im Grunde nach jeder Saison ein Umbruch stattfindet. Wo eine Spielzeit ohne Trainerwechsel die Ausnahme ist. Für Gisdol ist es die erste Reise zum FC Bayern mit dem HSV, für den er seit September tätig ist.

Sein Vorgänger Bruno Labbadia wurde nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel gegen die Münchner entlassen. Dabei hätten die Hamburger aus dieser Partie fast einen Punkt entführt. Das entscheidende Tor durch Joshua Kimmich fiel erst kurz vor Schluss. Labbadias Abberufung war wohl schon vorher beschlossen, unabhängig vom Ausgang der Partie.

München-Kenner Sebastian Prödl

„München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin“

Sein Nachfolger gibt sich vor dem Spiel in München selbstbewusst. Am kommenden Mittwoch geht es für den HSV im eigenen Stadion gegen Mönchengladbach um den Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals. Und es gibt Trainer, die angesichts einer solchen Chance die Partie beim FC Bayern abschenken würden, wie es in der Fachsprache heißt. Die in einem Spiel, das nach allgemeinem Dafürhalten ohnehin nicht zu gewinnen ist, wichtigem Personal eine Pause gönnen würden.

Gisdol ist keiner dieser Trainer. „Wenn die Frage lautet, ob wir Spieler schonen oder Vollgas geben, dann kann es nur heißen: Vollgas!“, sagt er zur Strategie für das ­Duell mit dem FC Bayern.

Aufschwung der Hanseaten

Der Pokal ist eine hübsche Zugabe für den HSV, das Pflichtprogramm ist die Liga, und da ist die Lage immer noch ernst. Wenn es schlecht läuft, könnten die Hamburger an diesem Wochenende auf den vorletzten Tabellenplatz zurückfallen. Deshalb gilt alle Konzentration der Aufgabe in München. „In unserer Situation ist es egal, gegen wen wir spielen“, sagt Gisdol. In der Situation des HSV geht es gegen jeden Gegner um alles oder nichts. Auch für den seit Dezember amtierenden Klubchef Heribert Bruchhagen sind die Prioritäten klar verteilt. „Der Klassenerhalt steht über allem. Wir sind dabei, uns Schritt für Schritt heranzutasten“, sagt er.

Nach einem desaströsen Saisonstart haben die Hamburger vor dem Jahreswechsel eine Serie mit elf Punkten aus sechs Partien hingelegt, aktuell sind sie seit vier Pflichtspielen ungeschlagen. Ist die Partie in München vielleicht sogar eine Art Spitzenspiel? Trainer Gisdol lacht. „Ich würde mich freuen, wenn es irgendwann wieder ein Spitzenspiel wäre. Aktuell trennen uns Welten“, sagt er.

Doch es geht voran bei den Hamburgern, weil die Mannschaft zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auftritt wie: eine Mannschaft. Weil die Winterzugänge Mergim Mavraj, Kyriakos Papadopoulos (in München wegen einer Schulterverletzung wohl nicht dabei) und Walace die Defensive stabilisiert haben. Und weil im Spiel nach vorne ein Plan zu erkennen ist. Es besteht Hoffnung für den HSV, dass der Zahnarztbesuch beim FC Bayern diesmal weniger wehtun wird als in den vergangenen Jahren.

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