brüsseler spitzen: House of Cards
die eu-parlamentskolumne
von Eric Bonse
Michael Dobbs ist ein viel beschäftigter Mann. Früher war er Stabschef bei Margaret Thatcher, heute ist er Serienstar bei Netflix. Bei einem Besuch in Brüssel wurde der Autor der Kultserie „House of Cards“ gefragt, wie die europäische Krise gelöst werden könne. Reicht es aus, die EU besser zu erklären? Oder braucht das europäische Projekt eine neue „Erzählung“, nachdem die alte Friedensleier nicht mehr zieht?
Dobbs schüttelte den Kopf. Im Kern gehe es um eine Identitätskrise. Europa habe die Seele verloren, und das könne man nicht durch „Erzählungen“ heilen. Dann überlegte er es sich noch einmal – und kam mit einer überraschenden Antwort: Erst wenn wir schlüpfrige Fernsehserien über die Politik in Brüssel drehen, gebe es wieder Hoffnung für die EU.
Das ist es – wir brauchen ein „House of Cards in Brussels“! Leider sah es bisher nicht danach aus. Jean-Claude Juncker und Günther Oettinger eignen sich einfach nicht als Kultfiguren. Doch Hoffnung kommt aus dem Europaparlament. Dort haben sich zwei verkannte Abgeordnete gemausert – zum Oberschurken und zum Superstar.
Der Superstar ist natürlich Martin Schulz. Seit der SPD-Politiker Brüssel verlassen hat, ist er der Mega-Mann. Seine Exkollegen im Parlament können es kaum fassen.
Die Oberschurkin muss dagegen Marine Le Pen geben. Früher war sie in Brüssel nur Hinterbänklerin. Doch seit sie in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl in Frankreich führt, lässt sie sogar die Finanzmärkte erzittern. Zwar spielt für sie die Musik in Paris, für Schulz in Berlin. Doch Brüssel lässt sie nicht so leicht los.
Le Pen soll 339.946 Euro an das Parlament zurückzahlen, weil sie zwei Mitarbeiter falsch deklariert hatte – sie hatte sie wohl für ihre Wahlkampagne in Paris eingespannt. Auch die französische Justiz ermittelt – sie vermutet „Verschleierung“ und hat die Parteizentrale des Front National durchsucht. „House of Cards“ at its best.
Noch aufregender ist die Schulz-Saga. Nach seinem kometenhaften Aufstieg in den Umfragen droht auch ihm ein Verfahren, weil er enge Mitarbeiter begünstigt haben soll. Die EU-Betrugsbehörde OLAF ermittelt, die CDU wittert Morgenluft. Einen besseren Plot hätte sich Michael Dobbs nicht ausdenken können.
Zur Krönung ist in den Niederlanden eine neue Fernsehserie angelaufen. Sie heißt schlicht „Brussel“ – und ist „House of Cards“ nachempfunden. Jetzt muss sie nur noch Kult werden.
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