piwik no script img

Kino auf den Ohren

ortstermin von Frederike Lindemann in einem Kopfhörerkino

Als ich das Schanzenkino 73 betrete, fällt mir als erstes die moderne Einrichtung auf. Ein totaler Kontrast zu dem alten Treppenhaus, durch das ich gekommen bin. Beinahe hätte ich den Eingang gar nicht gefunden, so versteckt liegt er an der Seitenwand des Kulturhauses 73 in Hamburg, direkt neben der Roten Flora.

Das Kino ist das weltweit erste zweisprachige Kopfhörer-Kino. Die Besucher können zwischen der deutschen und der originalen Sprachfassung auswählen und bekommen den Ton zum Film auf ihre Kopfhörer.

Hinter mir betritt ein begeisterter Anwohner mit Rastalocken und Bierflasche den Raum. „Ich wohne schon seit den Neunzigern hier, aber das habe ich noch nie gesehen“, sagt er. Eine ältere Dame an der Theke weist ihn freundlich darauf hin, dass das Kino erst seit ungefähr drei Wochen offen hat. „Ach, so neu ist das“, freut sich der Mann und betrachtet staunend die Räumlichkeiten. Auch ich sehe mich jetzt genauer um.

Das Kino ist ziemlich klein. Die geschwungenen, weißen Stühle mit schwarzen Polstern wirken modern, davor stehen lila Sitzsäcke. An jedem Stuhl hängen zwei Paar Kopfhörer. „Der Laden läuft gut“, erzählt mir die Frau an der Theke, als ich mich nach dem nächsten Film erkundige. „Aus dem Viertel kommen die Leute oft hierher, vor allem die Jüngeren.“

Im Kinosaal liegt der süßlich-klebrige Popcorngeruch in der Luft, der allen Kinos eigen ist. Noch zwei andere Besucher sind gekommen. Langsam füllt sich der Saal.

Während ich die Anweisungen auf der Leinwand lese: „Haltet den On/Off Knopf gedrückt. Mit dem Volume-Regler lässt sich die Lautstärke verändern. Wählt nun euren Wunschkanal aus“, geht die Tür zu und das Licht wird gedimmt. Es geht los.

Auf der Leinwand erscheint das Gesicht einer jungen Frau – es läuft La La Land. Kein Geräusch, kein Ton ist jetzt mehr zu hören, schnell setzte ich die Kopfhörer auf. Als ich den richtigen Knopf gefunden habe, ertönt eine englische Stimme.

Ich lehne mich in dem Sessel zurück, der nicht so bequem ist wie in anderen Kinos, und lasse die Szene auf mich wirken. Im Hintergrund brummt etwas ziemlich laut. Ich fühle mich mit den dicken Kopfhörer isoliert. Es ist, als wäre ich mit den Schauspielern Ryan Gosling und Emma Stone ganz allein.

Als ich zu dem jungen Paar neben mir schaue, muss ich grinsen. Die Lampe des Mannes leuchtet rot, die der Frau grün. Sie schauen gemeinsam einen Film, aber auf zwei verschiedenen Sprachen, nebeneinander her.

So richtig romantisch wirkt das nicht. Kinobetreiber Dirk Evers sieht das anders. „Es ist doch gut, wenn die Besucher vollkommen abgeschirmt werden.“ Wenn sich jemand unterhalten wolle, höre das kein anderer. „Und auch das Popkcorngeknabber nervt nicht.“

Der Besuch hat auch mich von der Gesamtidee überzeugt. Trotzdem für einen netten Filmabend mit Freunden ist es im Schanzenkino zu unkommunikativ.

Bis jetzt kann man in dem Kino Filme auf Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch hören – je nach Originalsprache. Der Betreiber will das Angebot noch erweitern.

Nicht nur mit Sprachen, sondern auch mit Events: Neben einem Tatortklub und Song-Contests wird in ein paar Wochen das Babykino eingeführt. Dabei können Eltern einen Erwachsenenfilm sehen, während die Babys vorne vor der Leinwand krabbeln und spielen. Den Lärm bekommen die Eltern dank der Kopfhörer gar nicht mit.

Doch so besonders das Kinoerlebnis auch ist – der Film war voll von kitschigem Hollywoodgeträller. Dem Pärchen scheint es trotzdem gefallen zu haben. Vielleicht brauchten sie einfach mal eine Ruhepause, in der niemand während des Films dazwischen quatscht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen